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Das Phantom der Freiheit

Das Phantom der Freiheit

Titel: Das Phantom der Freiheit
Autoren: Kurt Luif
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Gerichtsreporter Anona Geier und Walter Hallsmith werden unseren Lesern die ganze Geschichte dieses historischen Prozesses nahebringen. Geier ist menschlich und Hallsmith android ...«
    Die Meldung erwähnte die Namen der Beteiligten und unterrichtete die Leser sogar, daß die Ehe der Liffcoms nur zehn Stunden und dreizehn Minuten gedauert habe, bevor die Scheidungsklage eingereicht worden sei.
     
    Alison, wieder in ihrer kleinen Wohnung, lag auf dem Diwan, starrte durch die Decke in die Ewigkeit und dachte nach.
    Sie war nicht sonderlich unglücklich. Niedergeschlagenheit, Groll und Trauer lagen ihrem Temperament ebensowenig wie überschäumende Heiterkeit und unbändige, grundlose Hoffnung. Sie begegnete der Tragödie ihres Lebens mit Resignation und sogar Humor.
    Dennoch fühlte sie sich verletzt. Sie hatte gehofft, daß er sagen würde: »Es ist nicht wichtig. Was macht das schon für einen Unterschied? Du bist es, die ich liebe.« So, wie die Männer es in Liebesgeschichten zu sagen pflegten. Aber er hatte sie einen schmutzigen Androiden genannt.
    Nun gut. Das Leben war nicht wie in den Liebesgeschichten, sonst würden es nicht bloß Geschichten sein.
    Sie mußte sich eingestehen, daß sie ihn immer noch liebte. Sie hätte ihm eher sagen sollen, daß sie ein Android war. Vielleicht glaubte er, sie habe absichtlich gewartet, bis der Nichtvollzug der Ehe als Scheidungsgrund fortfiel, und ihm dann triumphierend die Tatsache vor die Füße geworfen, daß sie ein Android war.
    Natürlich verhielt es sich nicht so. Sie hatte es ihm nicht gesagt, weil sie einander erst kennenlernen mußten, bevor die Frage aktuell wurde. Wenn man einer Person vorgestellt wurde, sagte man nicht gleich: »Ich bin verheiratet«, oder »ich habe wegen Diebstahls fünf Jahre abgesessen«, oder »ich bin ein Android. Und Sie?«
    Wäre in den ersten Wochen mit Roderick eine Bemerkung über Androiden gefallen, hätte sie erwähnt, daß sie selbst einer war. Aber es war nie darüber gesprochen worden.
    Als er sie dann gefragt hatte, ob sie ihn heiraten wolle, war ihr wirklich nicht in den Sinn gekommen, es zu sagen. Es gab Zeiten, wo es eine Rolle spielte, und Zeiten, wo es keine Rolle spielte; dies schien eine der letzteren gewesen zu sein. Roderick war so intelligent, so liberal und tolerant, daß sie nicht gedacht hatte, es werde ihm etwas ausmachen. Aber sie hatte sich getäuscht.
    Und mit ihrem Glück war es aus.
    Aus dem traurigen Gekräusel ihrer Gedanken stieg eine Idee. Wollte Roderick wirklich diese Scheidung, oder fühlte er sich nur in seinem Stolz verletzt und versuchte, etwas zu beweisen? Wenn die Dinge so lagen, dann wollte sie gern zugeben, daß es bewiesen war.
    Sie wollte Roderick. Sie verstand nicht ganz, was geschehen war – vielleicht würde er sie unter der Bedingung zurücknehmen, daß er ihr zuerst ein paar kräftige Ohrfeigen geben konnte. Dagegen hatte sie nichts einzuwenden. Er sollte sie ruhig beschimpfen und über die Androiden wüten und alle Vorurteile und Haßgefühle abreagieren, die sich irgendwie, irgendwo in ihm angestaut hatten – solange er sie zurücknahm.
    Sie nahm den Hörer vom Telefon und wählte Rodericks Nummer.
    »Hallo, Roderick«, sagte sie munter. »Hier ist Alison. Nein, leg nicht gleich auf. Sag mir, warum haßt du Androiden?«
    Es blieb lange still, und sie wußte, daß er alles durchdachte, einschließlich der Ratsamkeit, ohne ein Wort aufzulegen. Man mußte Roderick lassen, daß er sehr sorgfältig überlegte, bevor er den Mund aufmachte.
    »Ich hasse Androiden nicht«, schnappte er endlich.
    »Hast du dann was gegen Androidenmädchen?«
    »Nein!« brüllte er. »Ich bin Psychologe. Ich denke verhältnismäßig klar und bin frei von Rassenhaß und Vorurteilen und Größenwahn und ...«
    »Dann haßt du nur ein bestimmtes Androidenmädchen?« sagte Alison sanft.
    Auch Rodericks Stimme klang plötzlich ruhig. »Nein, Alison. Es hat damit nichts zu tun. Es hat mit ... Kindern zu tun.«
    Das also war es. Alisons Augen füllten sich mit Tränen. Das war das eine, gegen das sie machtlos war. Bisher hatte sie sich geweigert, auch nur daran zu denken.
    »Meinst du das wirklich?« fragte sie. »Oder ist es nur der Rechtsgrund für deine Klage?«
    »Es ist der Rechtsgrund, den ich geltend machen werde«, erwiderte er, »und es ist mein Ernst. Das Dumme ist, Alison, daß du auf etwas gestoßen bist, womit du nicht rechnen konntest. Die meisten Leute wollen Kinder, haben sich aber mit der Tatsache
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