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Das Phantom der Freiheit

Das Phantom der Freiheit

Titel: Das Phantom der Freiheit
Autoren: Kurt Luif
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abgefunden, daß sie sie wahrscheinlich nicht kriegen werden. Ich komme aus einer Familie mit sechs Kindern, und bin der jüngste von ihnen. Vielleicht hast du dir gedacht, unter diesen Umständen sei die Sache für dich ziemlich sicher.
    Nun, alle meine Geschwister sind verheiratet, einige schon seit langer Zeit. Ein Bruder und zwei Schwestern sind bereits das zweite Mal verheiratet. Aber was ihre Fortpflanzung betrifft, so ist das Ergebnis null.
    Es geht um das Weiterleben unserer Familie und unseres Namens, verstehst du. Ich glaube nicht, daß es uns was ausmachen würde, wenn es nur ein Kind gäbe, das unseren Namen weitertragen würde – eine einzige Verlängerung in die Zukunft. Aber das ist nicht der Fall, und wie die Dinge liegen, gibt es nur noch diese Chance.«
    Alisons Trübsal erreichte den tiefsten Punkt, der bei ihrer ausgeglichenen Wesensart möglich war. Sie verstand Roderick. Wenn sie jemals die Chance hätte, Kinder zu haben, würde sie sie auch nicht für ein Individuum oder die Liebe eines Individuums aufgeben. Aber diese Chance hatte sie natürlich nicht.
    In der Stille, die seinen Worten folgte, legte Roderick auf. Alison blickte an ihrem hübschen Körper hinab, aber diesmal vermochte der Anblick keine Gefühle von Selbstzufriedenheit in ihr zu wecken. Statt dessen war sie über ihren eigenen Körper verärgert, weil er nie ein Kind hervorbringen würde. Was nützte der Anschein, der ganze Mechanismus von Sex und Weiblichkeit, wenn die einzige wirkliche Funktion fehlte?
    Aber es kam ihr nicht in den Sinn, aufzugeben und in die Scheidung einzuwilligen. Es mußte etwas geben, das sie tun konnte, einen Weg, den sie einschlagen konnte. Den Prozeß zu gewinnen, bedeutete ihr nichts, außer daß es zu einem kleinen Teil dazu beitragen mochte, Roderick zurückzugewinnen.
     
    Der Richter machte von Anfang an klar, daß er sich seiner Macht und der Publizität dieses Falls bewußt war. Es war offensichtlich, daß er die Verhandlung genoß und entschlossen war, sie nach seinen Grundsätzen zu leiten.
    Er faltete seine Hände auf dem Tisch und blickte genießerisch in den gefüllten Saal. Während er seine einleitenden Bemerkungen machte, stellte er mit tiefer Befriedigung fest, daß wenigstens fünfzig Reporter jedes Wort mitschrieben.
    »Man hat dies einen bedeutenden Präzedenzfall genannt«, begann er, »und das ist er zweifellos. Ich könnte mich darüber verbreiten, warum er so bedeutend ist, aber das würde nicht der Rechtsfindung dienen. Unser Ausgangspunkt muß der sein, daß wir nichts wissen.«
    Er nickte selbstgefällig und blickte seine Beisitzer an. »Wir wissen nichts. Wir kennen die Faktoren nicht. Wir haben niemals von Androiden gehört. Wir werden uns über alles das unterrichten lassen und uns danach eine Meinung bilden, wo in diesem Fall das Recht und wo das Unrecht liegt. Wir wollen uns von allen Vorurteilen freihalten.«
    Nachdem er seine These verkündet hatte, begründete und entwickelte er sie. Er schwang sich zu rechtstheoretischen Erwägungen auf und stieß wieder in die Gegenwart der Praxis herab, als ob es ihm leid täte, die Perlen seiner Gelehrsamkeit vor die Säue zu werfen. Denn natürlich war sein Publikum aus Schweinen zusammengesetzt, der Erkenntnisse nicht würdig, die er hier vortrug. Er machte keine Andeutung in der Richtung, aber das war auch nicht nötig. Nur auf Roderick und Alison ruhte sein Blick mit väterlicher Freundlichkeit. Sie hatten ihm zu dieser Stunde seines Ruhms verholfen. Sie waren keine Schweine.
    Aber Richter Collier war kein Dummkopf. Bevor das Interesse, das er geschaffen hatte, verlorenging, war er ins Hier und Jetzt des Gerichtssaals zurückgekehrt und brachte die Dinge in Bewegung.
    »Mir wurde mitgeteilt«, sagte er mit einem Blick von Alison zu Roderick und zurück zu Alison, was verständlich war, »daß jede der beiden Parteien ihre Sache selbst vertritt. Das ist ein Faktor, der zu einer ungezwungenen Verhandlungsatmosphäre beitragen wird, was nur zu begrüßen ist.«
    Er räusperte sich. »Alison Liffcom«, fuhr er in einem mehr förmlichen Ton fort, »haben Sie Einwände gegen die Zusammensetzung dieses Gerichts?«
    »Nein«, sagte sie.
    »Roderick Liffcom, haben Sie Einwände ...«
    »Eine Frage«, sagte Roderick kriegerisch. »Ich möchte wissen, wie viele von Ihnen Androiden sind.«
    Ein Raunen ging durch den Gerichtssaal. Richter Colliers Miene veränderte sich nicht. »Das gehört nicht zur Sache. Menschen und Androiden sind vor
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