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Das Pestzeichen

Das Pestzeichen

Titel: Das Pestzeichen
Autoren: Zin meister Deana
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und schloss für immer die Augen des Kindes. Dann drückte sie ihrer kleinen Schwester einen Kuss auf die rußgeschwärzte Stirn. Susanna zuckte erschrocken zurück, denn Bärbels Haut fühlte sich warm an, ganz so, als ob sie noch lebte. Doch Susanna wusste, dass die Wärme von der Hitze des Feuers herrührte, denn das Blut, das an Bärbels Hinterkopf und ihren Haaren klebte, zeugte davon, dass jemand dem Kind den Schädel zertrümmert hatte.
    »Wer hat dir das angetan, mein kleiner Schatz?«, flüsterte Susanna und wiegte dabei ihr Schwesterchen im Arm. Sie presste ihr Gesicht an Bärbels Brust, und ein Weinkrampf ließ ihren Körper erbeben.
    Nach einigen Minuten legte sie das Mädchen zurück auf den Boden. Bärbel muss beerdigt werden , dachte Susanna. Vater soll mir helfen, sie auf den Karren zu heben. Sie rief laut seinen Namen.
    Keine Antwort.
    Susanna hatte das Gefühl, den Boden unter den Füßen zu verlieren. »Bitte, lieber Gott, lass es nur einen bösen Traum sein«, flüsterte sie und schrie gen Himmel: »Bitte!« Doch im selben Augenblick fühlte sie, dass ihre Gebete ungehört bleiben würden. Mit wackeligen Knien ging sie langsam zum Wohnhaus, dessen Dach und oberer Stock ausgebrannt waren. Rauchsäulen stiegen empor, und hier und da flackerten Flammen auf. »Wenn es doch endlich regnen würde«, stöhnte Susanna und stand gebeugt wie eine alte Frau vor der Eingangstür, die ebenso wie die Hauswände angekokelt war.
    Nur langsam trat sie ein und sah die Treppe, die jetzt ins Leere nach oben führte. Sie schloss die Augen. Tränen quollen ihr unter den geschlossenen Lidern hervor. »Was ist geschehen?«, stöhnte sie leise, als sie nach oben blickte und über sich den Himmel sah. Verzweifelt wischte sie sich die Tränen fort. Dann wandte sie sich um und betrat die Küche, hoffend, dort ihre Mutter oder die Magd zu finden.
    Auf dem Herd stand der große Topf, in dem erst vor kurzem Suppe gekocht worden war. Holzschüsseln und Löffel lagen auf dem Tisch, ganz so, als ob die Familie sich gleich zum Essen niedersetzen würde. Alles schien wie immer. Nur die Ascheschicht auf Boden, Tisch und Geschirr gehörte nicht hierher.
    Als Susanna die beiden Frauen nicht finden konnte, wuchs ihre Hoffnung. »Mutter!«, schrie sie und blickte sich suchend um. Niemand antwortete. Sie rannte in die Wohnstube, die verwüstet war. Hier schien ein Kampf stattgefunden zu haben. Die schwere Eichentruhe war mitten in die Stube gezerrt worden. Stühle lagen im ganzen Raum verteilt herum, und die guten Weinbecher, die ihre Mutter so gemocht hatte, lagen zerbrochen auf dem Boden.
    Susanna stakste wie auf hölzernen Beinen zur Hintertür, die angelehnt war. Zaghaft stieß die junge Frau sie auf und trat ins Freie. Sie blickte zur Koppel und sah die Kuh dort liegen. Susanna musste nicht hingehen, um zu wissen, dass das Tier tot war. Ihr Blick wanderte zum Nutzgarten und erstarrte. Hinter dem Schlehenstrauch waren Beine zu erkennen, die auf dem Boden lagen.
    Susannas Mutter Maria hatte einst den Strauch gepflanzt, um Hexen fernzuhalten, aber auch, weil er nahrhafte Früchte trug. Jetzt verdeckte das Dornengestrüpp den Körper eines Menschen, und Susanna hatte Angst, näher hinzugehen. Ihre Füße bewegten sich langsam in Richtung des kleinen Tors, das Tiere von dem Obst und Gemüse fernhalten sollte. Mit zittriger Hand stupste sie das Türchen an, das quietschend aufsprang.
    Schritt für Schritt kam Susanna näher und blieb dann abrupt neben dem Strauch stehen. Um nicht laut aufzuschreien, presste sie sich die Hand vor den Mund und keuchte. Johann, ihr zwei Jahre älterer Bruder, lag vor ihr auf dem Bauch am Boden. Eine Axt steckte tief in seinem Rücken, und Blut hatte sein helles Hemd durchtränkt.
    Susanna fürchtete, zusammenzubrechen. Sie zitterte, und kalter Schweiß sammelte sich auf ihrer Stirn. Mit einem Ruck drehte sie sich um und lief aus dem Garten hinaus, um sich hinter dem Türchen zu erbrechen.
    Ermattet setzte sie sich nieder und wischte sich über den Mund. Tränen verschleierten ihren Blick. Die Stofffetzen an ihren Händen hatten sich gelöst, und Susanna konnte Brandblasen auf den Handflächen erkennen. Wütend biss sie die Blasen auf, sodass sie vor Schmerz laut aufheulte. Doch dieser Schmerz war nichts gegen das Leid, das sie in ihrem Inneren quälte. Verzweifelt trampelte Susanna mit beiden Füßen auf dem Boden und schrie und tobte. Sie fühlte sich schwach und machtlos.
    »Wer hat meinen Geschwistern das
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