Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Pestzeichen

Das Pestzeichen

Titel: Das Pestzeichen
Autoren: Zin meister Deana
Vom Netzwerk:
traurig schaute sie auf das kleine Mädchen in ihren Armen, das auch im Schlaf noch wimmerte.
    Susanna blickte ihre Tante mitfühlend an. Sie hatte schon gehört, dass manche Männer ihre Frauen schlugen, besonders, wenn sie betrunken waren. Zum Glück war ihr Vater nicht so. Weder trank er, noch wurde er seiner Familie gegenüber ungehalten. Er war zwar streng, aber niemals grob.
    »Komm mit nach unten, Tante Agnes«, sagte sie. »Mutter hat mir erlaubt, dir eine Woche lang unter die Arme zu greifen.«
    Die Frau stand nur langsam auf. Mühsam richtete sie ihren Kittel und nahm das schlafende Kind hoch. »Albert wird darüber nicht begeistert sein«, sagte sie leise und blickte ihre Nichte ängstlich an.
    »Mach dir keine Gedanken. Ich fürchte mich nicht vor deinem Mann«, erwiderte Susanna selbstsicher und stieg die Stiege hinab in den unteren Raum, wo sie bereits erwartet wurde.
    Albert blickte seiner Frau und dem fremden Mädchen mit verkniffenem Gesicht entgegen. »Wer bist du?«, fragte er gereizt.
    »Sie ist die Tochter meiner Schwester …«
    Weiter kam Agnes nicht, denn ihr Mann brüllte: »Halt’s Maul, Weib, oder habe ich dich gefragt?«
    Sogleich begann die kleine Hanna zu weinen. Mit angewidertem Blick schaute der Vater seine Tochter an und fluchte: »Dieser elende Balg! Was hast du mir da aufgeladen?« Dann ging er zum Regal, wo er sich aus einer Tonflasche Selbstgebrannten eingoss. Agnes sah ihre Nichte entschuldigend an und ging mit dem weinenden Kind nach draußen.
    »Ich habe euch die Ziege meiner Eltern mitgebracht, damit deine Tochter genug zu essen bekommt«, erklärte Susanna freundlich und versuchte zu lächeln.
    Albert leerte den Becher in einem Zug und verzog trotz des beißenden Gesöffs keine Miene. Während er sich mit der Hand über den Mund wischte, höhnte er: »Sie ist zu nichts zu gebrauchen. Nicht mal ein Kind bekommt sie satt.« Dann brüllte er: »Agnes! Wann gibt es zu essen?«
    Entsetzt über sein Benehmen, sagte Susanna: »Was kann deine Frau dafür, dass ihre Milch nicht reicht? Anstatt dass du den Hof bewirtschaftest, damit deine Familie nicht hungert, liegt die gesamte Last auf den Schultern deiner Frau.«
    Albert wandte sich dem Mädchen zu. Zuerst verfinsterte sich sein Blick, dann verfärbte sich sein Gesicht puterrot. Als er den Becher mit voller Kraft nach Susanna warf, konnte sie dem Geschoss nur ausweichen, weil sie sich rechtzeitig duckte.
    »Bist du von Sinnen?«, schrie sie erschrocken und blickte auf den zerbrochenen Becher am Boden.
    »Das nächste Mal werde ich genauer zielen«, zischte er gefährlich leise.
    Susanna zweifelte nicht einen Augenblick an seinen Worten, schrie ihn aber wütend an: »Wie kannst du es wagen, mich verletzen zu wollen? Meine Eltern schicken mich, um euch helfen, und du willst mir schaden?«
    »Wir brauchen keine Hilfe! Sag das deinen Eltern. Und jetzt verschwinde wieder.«
    »Ich werde bleiben und meiner Tante helfen«, erwiderte Susanna und reckte ihr Kinn in die Höhe. Dabei blitzten ihre rehbraunen Augen den Mann ihrer Muhme herausfordernd an.
    Albert machte Gebärden, als wollte er auf sie losgehen, doch als Susanna nicht zurückwich, ließ er die Arme sinken und blieb vor ihr stehen. Seine Augen funkelten sie an, doch dann zuckte er mit den Schultern, ging zum Regal und nahm sich einen neuen Becher, den er mit Schnaps füllte.
    Susanna wandte sich angewidert von ihm ab und verließ die Kate.
    Am Abend schnitt Susanna für die Kinder und ihre Tante je eine Scheibe von dem Brot ab, das sie mitgebracht hatte. Dazu briet sie dünn geschnittenen Speck in einer Pfanne an und schlug mehrere Eier darüber, die Arthur im Hühnerstall gesammelt hatte. Gierig langten die Kinder und Agnes zu, nur Albert bekam nichts davon ab. Als er nach einer Scheibe Brot greifen wollte, zischte Susanna: »Das ist das Brot meiner Eltern, ebenso der Speck. Wenn du Eier essen willst, dann geh in den Hühnerstall und sammle welche.«
    Agnes blickte ihre Nichte entsetzt an. Sie hielt die kleine Hanna im Arm, die an einem Leinentuch warme Ziegenmilch aus einer kleinen Tonflasche nuckelte. Die Wangen des Kindes waren zart gerötet, und es schien zufrieden zu sein. Als der Vater jedoch mit der Faust auf den Tisch schlug und brüllte: »Ich bin hier der Herr im Haus!«, verzog das Mädchen seinen Mund, und ihre Augen füllten sich mit Tränen. Agnes presste die Kleine schützend an sich und traute sich kaum aufzublicken.
    Dieses Mal konnte Susanna nicht ausweichen.
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher