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Das Pestzeichen

Das Pestzeichen

Titel: Das Pestzeichen
Autoren: Zin meister Deana
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anziehen, Mädchen«, sagte er mit väterlicher Stimme. Mehr vermochte er nicht zu sagen.
    Susanna blickte in das runzlige Gesicht des Schäfers, dessen graue Augen sie mitleidig ansahen. Sie nickte und ging hinaus, um ihren Beutel zu suchen.
    Als sie kurze Zeit später in trockener Kleidung zurückkam, hatte der Schäfer die Leiche der Magd vom Gebälk genommen und auf den Boden neben Susannas tote Mutter gelegt. Er hatte beiden Frauen die Kleidung übergezogen, die verstreut im Stall gelegen hatte. Zwar waren Hemden und Röcke zerrissen, doch die Stofffetzen reichten, um die Blöße der Frauen zu bedecken. Auch hatte Thomas ihre Augen geschlossen und ihre Hände auf dem Bauch gefaltet. Unfähig, ein Wort zu sagen, sah Susanna den Mann dankbar an. Er nickte ihr mit feuchten Augen zu.
    »Draußen liegen Bärbel und Johann. Ich muss sie beerdigen lassen, bevor die Ratten sie fressen«, flüsterte Susanna.
    Entsetzt schaute der Mann auf und stammelte: »Ich hatte gehofft, dass sie wie du überlebt haben und sich versteckt halten!«
    »Ich war nicht zuhause, sondern eine Woche bei meiner Muhme in Brotdorf. Als ich heute am Nachmittag zurückkam, waren außer Vater alle tot«, berichtete Susanna stockend.
    Der Schäfer schwieg für einige Atemzüge, dann sagte er leise: »Ich werde sie in den Stall zu deiner Mutter legen.«
    Doch Susanna schüttelte den Kopf und blickte zu ihrem Vater, der im Schlaf leise stöhnte. »Es ist besser, wenn er sie nicht auch noch sieht.« Dann wandte sie sich dem Freund zu. »Ich weiß nicht, was geschehen ist, Thomas, oder wer das getan hat und warum. Ich hoffe, dass Vater es mir erzählen wird, wenn es ihm besser geht. Kannst du mir sagen, was man mit seinen Füßen angestellt hat? Wie kann ein Mensch einem anderen so etwas antun?«
    Der Schäfer beugte sich über den Bauern und seufzte laut.
    Die beiden Männer kannten sich von Kindesbeinen an und hatten sich selbst während des langen Krieges nie aus den Augen verloren. Seit Friede herrschte, war Thomas Schäfer und zog mit den Tieren, die ihm die Bauern des Köllertals anvertrauten, übers Land. Alle paar Wochen besuchte er mit seiner Herde den Arnoldschen Bauernhof, und jedes Mal freute er sich auf das Wiedersehen. Dann lachten und tranken die beiden Freunde die halbe Nacht zusammen und schwelgten in Erinnerungen. Und erst wenn der Schäfer dem Bauern versprochen hatte, bald wiederzukommen, durfte er mit seinen Tieren am nächsten Tag weiterziehen. So hätte es auch heute sein sollen, doch schon von Weitem hatte Thomas gespürt, dass etwas passiert sein musste. Als er vom Hügel aus das abgebrannte Gehöft erblickt hatte, war er losgerannt. Er hatte ein großes Unglück befürchtet, aber nicht ein so schreckliches.
    Thomas starrte auf die blutverkrusteten Klumpen der Füße seines Freundes. Dann blickte er auf die Kadaver der geköpften Zicklein. Schwerfällig ging er in die Hocke, befeuchtete seinen Zeigefinger mit Speichel und fuhr damit über die weißen Krümel am Boden. Er leckte am Finger, schmatzte und nickte.
    »Dachte ich es mir!«, murmelte er und erhob sich. »Dein Vater«, sagte er zu Susanna, »wurde gefoltert. Sie müssen wohl geglaubt haben, dass er Geld vergraben hatte. Mit der Folter wollten sie ihm den Ort des Verstecks entlocken.«
    Susanna lachte hysterisch auf. »Geld? Wir sind froh, wenn wir den Tag überleben. Zwar geht es uns besser als manch anderen, aber wir haben kein Geld!«, brauste sie auf. Ihre Augen funkelten, doch rasch erlosch ihr Kampfgeist wieder. Stattdessen blickte sie Thomas ungläubig an und fragte: »Ist das der Grund, warum Vater die Haut von den Füßen abgezogen wurde?«
    Thomas schüttelte den Kopf. »Seine Fußsohlen wurden mit Salz eingerieben, das die Zicklein ablecken mussten. Ihre raue Zunge hat seine Haut aufgerieben, bis sie blutige Klumpen waren. Er muss vor Schmerzen geschrien und sich zugleich vor Lachen die Lippen zerbissen haben.«
    Hilflos zuckte der Schäfer mit den Schultern und blickte auf seinen Freund: »Ich habe keine Ahnung, warum sie die Tiere geköpft haben. Vielleicht, weil sie die Ziegen nicht mehr brauchten, vielleicht aber auch aus Wut, weil dein Vater kein Geld hat.«
    »Wer sind sie ?«, stammelte Susanna.
    Der Schäfer zuckte erneut mit den Schultern. »Diese Frage kann ich dir nicht beantworten, Mädchen. Vielleicht marodierende Soldaten oder Diebe. Vielleicht Landstreicher. Ich weiß es nicht, und ich fürchte, dass wir das nie erfahren werden, Susanna.« Als
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