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Das Perseus-Protokoll - Hensel, K: Perseus-Protokoll

Das Perseus-Protokoll - Hensel, K: Perseus-Protokoll

Titel: Das Perseus-Protokoll - Hensel, K: Perseus-Protokoll
Autoren: Kai Hensel
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Feierabend ruiniert hatte. Dafür war er freundlich gewesen.
    Zwei rothaarige Frauen mit sonnenverbrannten Schultern kamen durch die Glastür des Hotels, sanken auf die Treppenstufen. Betrunken glucksend beobachteten sie, wie Maria die zwei Hälften des Fahrrades am Ständer festschloss. Es war ein Leihrad. Der Schaden konnte teuer werden.
    Maria schloss die Tür zu ihrem Appartement auf. Alles war still, keine Lampe brannte. Doch von der Poolanlage fiel Licht durchs Fenster. Die Tür zum Schlafzimmer stand einen Spalt offen. Julian schlief in der linken Hälfte des Bettes, Daumen im Mund, den Kopf tief im Kissen. Die rechte Hälfte war leer. Also war Undine auf dem Sirtáki-Abend. Das gefiel Maria nicht. Wenn Undine einen Mann kennenlernte, würde sie sich betrinken. Wenn sie keinen kennenlernte, erst recht. Maria zog ihre verdreckte und zerrissene Kleidung aus und stellte sich unter die Dusche. Das warme Wasser tat gut, spülte Schweiß, Sand, verkrustetes Blut von ihrem Körper. Sie sah wieder das Plateau, den Mann am Auto, sein Blinzeln. Sie fühlte sich wieder den Abhang hinunterstürzen, ihr Herz pochte. Sie stellte das Wasser ab. Und dann ihre Wut. Die Steine. Was wäre passiert, wenn sie den letzten Stein ein paar Zentimeter höher geworfen hätte? Oder, konkret gefragt: Wohin hatte sie gezielt?
    Maria bahnte sich den Weg über die Terrasse, durch klatschendes, lallendes Gedränge, sonnenverbrannte Körper, vorbei an Boxen, aus denen die verstärkten Fiedeln kreischten.
    »Hallihallo!«
    Undine winkte ihr zu, ein Glas in der Hand; sie saß abseits, allein. »Wieso kommst du so spät?«
    »Habe mich in den Bergen verfahren.«
    Sie hatte keine Lust auf Erklärungen. Nicht mehr heute, nicht in diesem Lärm.
    »Raki Tonic!«, schrie Undine ihr ins Ohr. »Total lecker!«
    »Wie viel hast du schon getrunken?«
    »Entspanne dich!«
    »Wie viel?!«
    »Mein drittes! Mein letztes! Ich hab’s im Griff!«
    Undine schnippte mit den Fingern, schwenkte ihr Glas. »Was sieht lächerlicher aus als deutsche Touristen, die Sirtáki tanzen?«, fragte sie. »Englische Touristen, die Sirtáki tanzen!«
    Sie lachte. Auf dem Glastisch lag das Telefon. Robert hatte also nicht angerufen. Er hatte nicht geschluchzt, wie sehr er Undine und seinen Sohn vermisse. Dass die Affäre mit der Feldenkrais-Therapeutin ein schrecklicher Fehler war. Dass er bettele, um eine zweite Chance.
    Maria ließ sich in einen Korbstuhl fallen; sie brauchte jetzt auch ein Glas. Sie fuhr zusammen, als sie einen Mann im weißen Kurzarmhemd von den Toiletten kommen sah. Aber es war bloß ein Engländer jenseits der fünfzig. Die betrunkenen Frauen, die sie vorhin auf den Treppenstufen gesehen hatte, zogen ihn johlend auf die Tanzfläche.

12. August
    »Ich mag die Griechen. Sie sind nette Gauner, mit allen Lastern der Türken, aber ohne deren Mut. Einige sind freilich tapfer, und alle sind schön.«
    George Gordon Noel Byron, englischer Dichter

3
    »Das Teil ist hinüber.«
    Maria stand in der Werkstatt von Barney’s Bikeshop, zwischen Reifen, Standpumpe, aufgebockten Fahrrädern. Barney, ein blondgelockter Australier mit Muschelkette auf der nackten Brust, erklärte ihr, warum man den Aluminiumrahmen nicht zusammenschweißen konnte. Außerdem hatte das Hinterrad eine Acht, aus dem Vorderrad waren mehrere Speichen herausgebrochen. Sogar der Sattel war verbogen. Er hatte Maria ein tipptopp gepflegtes Bike geliehen, zu einem deutsch-australischen Freundschaftspreis. Zurückgebracht hatte sie Altmetall. Sie nickte. Es war klar, er hatte recht.
    »Wie viel schulde ich dir?«
    »400 Euro. Das ist der Händlerpreis. Der Verkaufspreis liegt bei 599 Euro. Ich kann dir den Katalog zeigen.«
    »Ich glaube dir.«
    Es war ein solides Rad gewesen. Keine Spitzenqualität, sonst hätte der Rahmen den Sturz überlebt. Aber viel besser als die Billigmodelle der anderen Vermieter.
    »Es tut mir leid«, sagte Barney.
    »Glaube ich dir auch.«
    Bloß hatte sie keine vierhundert Euro. Ihr Konto war seit vorgestern dicht. Das Bafög hatte nur für die Bezahlung der Miete und ein paar überfälliger Rechnungen gereicht. Sie hatte noch fünfundsechzig Euro und, aus Sentimentalität, eine längst gesperrte Kreditkarte im Portemonnaie. Johannes, der Besitzer des U-Turn, rechnete immer am Fünfzehnten eines Monats ab. Heute war der Zwölfte.
    »Ich hab’s nicht hier«, sagte Maria.
    »Zweihundert Meter die Straße runter ist ein Bankomat.«
    »Ich habe meine Scheckkarte im
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