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Das Perseus-Protokoll - Hensel, K: Perseus-Protokoll

Das Perseus-Protokoll - Hensel, K: Perseus-Protokoll

Titel: Das Perseus-Protokoll - Hensel, K: Perseus-Protokoll
Autoren: Kai Hensel
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Hotel.«
    »Schaffst du’s heute Nachmittag?«
    »Du hast ja meinen Führerschein als Pfand.«
    »Tut mir echt leid, mit dem Unfall.«
    »War meine Schuld.«
    An der Andréa Papandréou reihten sich Pitabuden, Souvenirläden, Eisdielen. Griechenland hatte einen neuen Sommerhit: »Baa-baa-bi-baa-boo« , Maria hörte ihn aus jeder Richtung. Vierhundert Euro. Sie konnte Undine fragen, es ging ja nur um ein paar Tage. Aber Undine hatte sie schon auf diesen Urlaub eingeladen. Und ihre eigene finanzielle Situation war unsicher. Wenn Robert zu Undine und Julian zurückkehrte, war alles gut. Aber wenn er mit dieser Feldenkrais-Therapeutin ein neues Leben anfangen wollte? Sie konnte Johannes anrufen und um einen Vorschuss bitten. Johannes war großzügig und würde sich nicht anstellen. Außerdem mixte Maria die besten Cocktails. Aber dann musste sie über Geld sprechen. Sie hasste das. Kein Geld – das bedeutete Tränen ihrer Mutter. Betrunkenes Grölen ihres Vaters. Kein Geld, das bedeutete Krisengespräche mit dem Lehrer, weil Marias Eltern die achtzig Euro für die Klassenreise nicht hatten. Kein Geld bedeutete, dass in Marias Sparschwein plötzlich zwanzig Euro fehlten. »Weil du doch auch nicht willst, dass sie uns den Strom abstellen.« Als Maria mit dreizehn Jahren ihre ersten Prospekte verteilt und ihr erstes eigenes Geld verdient hatte, versteckte sie es in einer Ritze zwischen Tapete und Teppichleiste.
    Das Poseidon Palace war eine der gehobenen Ferienanlagen in Amoudára, mit eigenem Strand und mehreren Pools. Sie ging die Treppe hoch, die Glastür glitt auf. Kühl klimatisierte Luft umfing sie. Sie erwiderte den Gruß von der Rezeption. Jeder hielt sie für eine attraktive junge Frau, die sich, zumal als Deutsche, diesen Urlaub ganz selbstverständlich leisten konnte. Alles Lüge. Sie war pleite.
    Im Speisesaal räumten die Serviererinnen das Frühstücksbuffet ab. Maria kam gerade noch rechtzeitig, um sich einen Teller mit Schafskäse, Tomaten und Rührei zu füllen. Sie setzte sich an einen Tisch, auf dem eine Süddeutsche Zeitung lag.
    Regierungskrise in Berlin. Staatskrise in Kairo. Gefechte in Osttimor. Hilfspaket für Griechenland, Entscheidung über die Auszahlung der nächsten Rate. Alles hing davon ab, ob Griechenland »seine Hausaufgaben gemacht hatte«. Experten saßen in Brüssel über den neuen Zahlen. Es gab Fortschritte, hieß es. Die Wirtschaft war im letzten Quartal weniger stark geschrumpft als erwartet. Die Arbeitslosigkeit war bloß um zwei Prozent gestiegen – der beste Wert seit über einem Jahr.
    »Frau Maria Brecht?«
    Sie zuckte zusammen. Vor ihr stand ein großer, schlanker Mann in Polizeiuniform.
    »Geórgios Gerakákis, Kommissariat Heraklion. Kann ich Ihnen ein paar Fragen stellen?«
    Er sprach akzentfrei Deutsch. Sie deutete auf einen freien Stuhl, er schüttelte den Kopf.
    »Ein griechischer Polizist mit einer deutschen Touristin am Frühstückstisch. Wie sieht das aus?«

4
    Gerakákis drehte die Klimaanlage hoch. Der Auspuff knatterte.
    »Als der griechische Staat noch Geld hatte«, sagte er, »hat er seinen Polizisten Wagen mit Klimaanlage spendiert. Inzwischen reicht’s nicht mal für einen neuen Auspuff.«
    »Warum sprechen Sie so gut Deutsch?«, fragte Maria.
    »Ich bin in Oberhausen geboren. Mein Vater war Elektriker bei Thyssen.«
    Das Kommissariat lag an der Schnellstraße zum Flughafen; ein moderner, halbrunder Bau, umgeben von Brachland.
    »Früher hatten wir ein schönes altes Gebäude in der Altstadt«, sagte Gerakákis. »2007 dachte der Staat, er müsste seiner Polizei diese Festung in der Pampa spendieren. Er wusste ja nicht, wohin mit seinem Geld.«
    Geórgios’ Büro lag im dritten Stockwerk; Blick auf die Pampa, dahinter die Landebahn des Flughafens. Hinter der Landebahn eine Ahnung vom Meer. Er schloss hinter Maria die Tür.
    »Kaffee? Tee?«
    »Haben Sie Wasser?«
    Er setzte sich hinter seinen Schreibtisch, sprach eine knappe Anweisung ins Telefon. Er deutete auf einen Stuhl vor seinem Schreibtisch. Maria setzte sich. Gerakákis durchblätterte flüchtig eine Akte auf seinem Tisch. Dann fragte er:
    »Sie hatten gestern ein Problem im Psilorítis-Gebirge?«
    »Jemand hat versucht, mich umzubringen.«
    Sie erzählte von Anfang an. Von ihrem Ausflug in die Berge. Ihrem Durst. Der Begegnung mit dem Mann. Die Coladose. Die Blutspuren.
    »Können Sie den Mann beschreiben?«
    Sie beschrieb sein Kurzarmhemd. Seine Slipper. Sein dünnes, blassblondes Haar. Aber es
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