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Das Perseus-Protokoll - Hensel, K: Perseus-Protokoll

Das Perseus-Protokoll - Hensel, K: Perseus-Protokoll

Titel: Das Perseus-Protokoll - Hensel, K: Perseus-Protokoll
Autoren: Kai Hensel
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nämlich von seinem Gehalt nicht mehr leisten. Der Junge darf sich als Held fühlen. Seine Eltern sind stolz auf ihn. Wenn die deutsche Touristin den Artikel sieht, hat sie ein lustiges Souvenir. Wenn sie ihn nicht sieht, auch gut.«
    Sie tranken. Gerakákis nahm die Zeitung.
    »In diesem Fall«, sagte er, »gibt es allerdings ein Problem. Maria B., Studentin aus Berlin. Verbringt ihren Urlaub in einer Ferienanlage nahe Heraklion. Wir wissen nicht, wer der Mann auf dem Plateau war. Ob er noch auf der Insel ist. Ob er diesen Artikel kennt. Aber wenn er ihn kennt, dann weiß er jetzt, wer Sie sind. Sie haben sein Gesicht gesehen. Sie waren bei der Polizei.«
    »Er weiß nicht, was ich der Polizei erzählt habe.«
    »Dass Sie der Polizei nicht den Unsinn erzählt haben, der in dem Artikel steht, kann er sich denken. Und es gibt die Fotos. Mit den Fotos, wenn er will, findet er Sie.«
    Er lehnte sich zurück, verschränkte die Arme hinter dem Kopf. »Wie lange haben Sie vor, auf Kreta zu bleiben?«
    »Noch acht Tage.«
    »Ich will keine Panik verbreiten. Wahrscheinlich werden wir von diesem Mann nie wieder etwas hören.«
    »Aber das Blut …«
    »Vielleicht hat er sich den Finger an der Kofferraumklappe geklemmt. Vielleicht hat er illegal eine Ziege geschossen. Ihre Beschreibung passt auf keinen Kriminellen, den wir suchen. Und wir haben keine Vermisstenmeldung.«
    »Er hat die Blutspuren nicht wegen einer Ziege beseitigt.«
    »Vermutlich nicht …«
    »Und er hatte ein Messer, kein Jagdgewehr!«
    »Was soll ich machen? Wir haben keine Zeugen, keinen Beweis, nicht einmal Indizien. Sie sagen, er wollte Sie die Schlucht hinunterstoßen. Aber hat sein Wagen Ihr Fahrrad berührt? Gibt es Lackspuren? Es gibt nichts!«
    Wenigstens glaubte ihr der Kommissar. Erstaunlich, dachte sie plötzlich; dass er extra aus Heraklion in ihr Hotel gekommen war.
    »Es kann sein«, sagte er, »dass der Mann Sie sucht. Es ist unwahrscheinlich, aber möglich. Halten Sie die Augen offen. Bleiben Sie unter Menschen. Und Ihre Radtouren in die Berge –«
    »Sind gestrichen.«
    »Falls Ihnen etwas Verdächtiges auffällt, falls Sie sich beobachtet fühlen, verfolgt …« Er schrieb eine Telefonnummer auf die Rückseite seiner Visitenkarte. »Unter dieser Telefonnummer erreichen Sie mich auch privat. Wo erreiche ich Sie?«
    Maria hatte kein Telefon mitgenommen. Sie gab ihm Undines Handynummer. Es klopfte, ein Kollege streckte den Kopf herein. Gerakákis hörte ihm zu, sagte »Ne, ne« , was »Ja, ja« bedeutete. Maria fragte sich, ob es außer den Griechen noch ein Volk auf der Welt gab, das Ne sagte, wenn es Ja meinte. Gerakákis drehte, während er zuhörte, seinen Kugelschreiber zwischen den Fingern. Seine Augen fixierten Maria.

5
    Er verließ die Fähre über die Rampe, zwischen Rucksacktouristen und französischen Rentnern, die über den Gestank der anfahrenden Lastwagen schimpften. Er ging über den Kai, vorbei an streunenden Hunden und einer bettelnden Frau im bunten Flickenkleid. Über der Schulter trug er eine Reisetasche. In der Hand hielt er, am Gelenk mit einer Schlaufe gesichert, einen Stahlkoffer mit starken Schlössern.
    Er wandte sich am Tor nach links, in Richtung der alten Bahnstation. In einer Nebenstraße, unter einer Palme, stand ein Mazda mit getönten Scheiben. Die Scheinwerfer blitzten auf. Er wechselte die Straßenseite, öffnete die Beifahrertür.
    »Ist es nicht bequemer, Sie verstauen Ihr Gepäck im Kofferraum?«, hörte er eine metallene Stimme von der Rückbank.
    »Ich behalte es lieber in meiner Nähe.«
    Der Fahrer ließ den Motor an. Sie fuhren vorbei an den Kais, der Metrostation, an gierigen Tauben, die ein Touristenpärchen und ihre Gyros belagerten.
    »Hatten Sie eine gute Überfahrt?«, fragte die Stimme.
    »Hafenstreik in Heraklion«, antwortete Gabriel. »Die Fähre konnte erst nach Mitternacht ablegen.«
    »Keine Vorkommnisse? Kein Problem?«
    »Sie sehen, ich habe den Koffer.«
    Durch das Fahrerfenster waberten Abgase. Ein warmer Wind blies Altpapier und Plastikfetzen über die Straße.
    »Seit wann streiken die Müllarbeiter?«, fragte Gabriel.
    »Seit zehn Tagen. Die Menschen werden zornig.«
    »Das sind günstige Umstände.«
    Wie Lava schob sich der Verkehr über die Leofóros Athinón Richtung Athen. Vorbei an Baustellen, auf denen niemand arbeitete, einem Spielplatz, auf dem kein Kind spielte. Vor knapp zehn Jahren war Gabriel das erste Mal in Athen gewesen, wegen eines Auftrags. Er war jünger
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