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Das peinlichste Jahr meines Lebens

Das peinlichste Jahr meines Lebens

Titel: Das peinlichste Jahr meines Lebens
Autoren: Mark Lowery
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Öffentlichkeit zur Verfügung. Eine Bahn war für die Elite der Wettkampfriege reserviert. Um dort zu schwimmen musste man dazu eingeladen worden sein (diese Trainingseinheiten waren für Leute bestimmt, die bei den bevorstehenden Großveranstaltungen eine Siegchance hatten. Normalerweise galten nur Lucy King und ein, zwei andere als so gut, dass sie dort trainieren durften). Die andere Bahn war für Perspektivschwimmer bestimmt. Das war eine höfliche Umschreibung für Versager.
    Alle Mitglieder der anderen Schwimmriegen im Verein konnten gern in der Versagerbahn trainieren. Na, herzlichen Dank. Wir waren nicht besonders gern gesehen, doch der Verein musste zumindest so tun, als würde er sich nicht nur um die guten, sondern um alle Schwimmer kümmern. Man gab uns nie das Gefühl, dass wir geschätzte Mitglieder waren. Wir wurden eher wie Fäkalien behandelt, die ein rattenverseuchtes Rohr entlangschwammen. Das lag daran, dass das Training von Dave King, dem Cheftrainer des Vereins, geleitet wurde.
     
    Hier ein paar Fakten über Dave King:
    Er ist Lucys Dad.
Sein gesamter Körper scheint aus einem einzigen prallen Muskel und einem Geflecht von Adern zu bestehen, die pochen und pulsieren, sobald er wütend ist (was ziemlich oft vorkommt).
Um seinen Hals hängen ständig ein Klemmbrett und eine Stoppuhr. Sogar wenn er nach dem Training aufs Klo geht, nimmt er beides mit. Ich meine, welche Zeit kann er da drin schon nehmen? Also, abgesehen von der, die naheliegt.
Er ist ungeheuer jähzornig. Ich habe mal gesehen, wie er einen Jungen an der Schwimmbrille hochgehoben und fünf Meter weit ins Becken geschleudert hat.
Er kann Versager nicht ausstehen. Das betrifft ganz eindeutig auch mich.
An einer Hand fehlen ihm drei Finger. Irgendwer hat mir mal erzählt, dass er beim Militär in einer Spezialeinheit war und die Finger beim Nahkampftraining verloren hat. Ich weiß nicht, ob das stimmt, aber falls es wahr ist, dann hat er seinen Gegner anschließend wahrscheinlich damit totgeprügelt.
    Und außerdem gefiel mir diese Trainingseinheit deshalb so gut, weil ich garantiert in der Bahn neben Lucy King war. Ich konnte ihre Schwimmtechnik aus nächster Nähe bewundern. Sie war so nah, dass die Bläschen, die aus ihrer Nase aufstiegen, wenn sie sich von der Wand abstieß, mich im Gesicht kitzelten. Wenn sie den Beinschlag übte, berührten die Spitzen ihrer Schwimmflossen ab und zu meine Schulter. Und manchmal streifte ihre Hand meine, und dann überlegte ich, ob ich sie ergreifen sollte, damit wir zusammen durchs Becken schwimmen konnten wie zwei übermütige Tümmler.
    Doch dazu kam es nie. Normalerweise glitt sie in hohem Tempo an mir vorbei, und ich blieb prustend im Wasser zurück und wünschte, ich hätte mein Inhaliergerät nicht in meiner Tasche vergessen.
    Jedenfalls war ich an diesem speziellen Tag um zehn vor neun zum Training erschienen, zehn Minuten vor dem offiziellen Beginn.
    Ich komme nicht gern zu spät.
    Um fünf vor neun stolzierte Dave King am Becken entlang, Stoppuhr und Klemmbrett baumelten vor seiner riesigen Brust.
    »Bereit, dich anzustrengen, Malcolm?«, knurrte er und würdigte mich kaum eines Blickes, während er Lucys Trainingsplan auf die Weißwandtafel kritzelte. »Bis zum Gilde-Schwimmfest dauert es nicht mehr lange. Ich will nicht, dass du dich wieder so erniedrigst wie bei der Vereinsmeisterschaft.«
    Ich lächelte matt. Er spielte darauf an, dass ich mich letztes Jahr kurz vor dem Wettkampf auf einem glitschigen Startblock verletzt hatte.
    Im Rest des Beckens wimmelte es von den üblichen Leuten: alte Männer und Frauen, die ihre Bahnen zogen, vereinzelte Nervensägen, die quer zu den anderen schwammen und allen im Weg waren, und ein paar hyperaktive Jungen, die Arschbomben machten und deswegen von den Bademeistern zurechtgewiesen wurden.
    Ein paar Minuten später kam Lucy in ihrem Bademantel aus der Umkleidekabine. Ihre Schwimmflossen, die Handpaddel, die Pull-Boje und die Schwimmbrille balancierte sie geschickt auf ihrem Schwimmbrett.
    Ich lächelte sie an, doch sie lächelte nicht zurück. Das lag daran, dass sie vor dem Training hochkonzentriert ist. Ich würde mir merken, dass ich sie nicht mehr ablenken durfte, wenn sie ihren Tunnelblick hatte. Ohne Vorwarnung streifte sie ihren Bademantel ab und begann sich am Beckenrand zu dehnen. Ich musste rasch den Blick abwenden, denn ich spürte, dass ich errötete. Auf keinen Fall wollte ich sie anstarren, wenn sie nichts davon mitbekam. Wäre
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