Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das peinlichste Jahr meines Lebens

Das peinlichste Jahr meines Lebens

Titel: Das peinlichste Jahr meines Lebens
Autoren: Mark Lowery
Vom Netzwerk:
einzigen Freund auf der Welt hat, darf man nicht wählerisch sein.
     
    Ein paar Dinge, die ihr über Paul Beary wissen solltet:
    Er ist total übergewichtig. Er sagt, das liegt daran, dass er Probleme mit seinem Stoffwechsel hat. Mein Bruder Ste sagt, das einzige Problem, das Paul mit dem Stoffwechsel hat, besteht darin, ein Stück Stoff zu finden, das groß genug ist seinen Arsch zu bedecken. [6]
Er ist besessen von Frauen. Auf eine ziemlich üble Art. Wenn er auf Mädchen scharf ist, stiehlt er manchmal ihr benutztes Besteck aus dem Schweineeimer in der Schulkantine. Und dann isst er damit, denn das sei »genausogut wie mit den Mädchen zu knutschen«.
Er behauptet, er hätte mal eine französische Freundin namens Cherie gehabt, die ihm alles gezeigt habe. Das nehme ich ihm nicht ab. Er sagt auch, sein Onkel habe den Wohnwagen erfunden, in seinem Bett lebe ein Katzengeist, und sein Opa sei der erste Mensch in Großbritannien gewesen, der Nathan geheißen habe.
    Ich formte mit den Lippen die Worte: »Was machst du da?« Ich war nicht glücklich.
    Paul zog mit den Händen die Kurven einer Frau nach, deutete dann auf Lucy und streckte den Daumen hoch. Seine Wangen waren ganz aufgebläht, weil er schon so lange die Luft anhielt.
    Lucy strampelte immer noch mit den Beinen. Während ich Luft holte, blickte ich zu ihr rüber.
    »Kennst du
den
?«, fragte sie und deutete nach unten, das Gesicht vor Abscheu verzogen. Sie ist und bleibt das einzige Mädchen auf der Welt, die auch, wenn sie wütend ist, gut aussieht.
    »Damit hab ich nichts zu tun!«, schrie ich.
    Lucy schüttelte den Kopf. »Jämmerlich.«
    In diesem Moment ertönte von der anderen Seite des Beckens lautes Gebrüll. »Heeeh! Was ist denn da drüben los?«
    Dave King kam herübergestürmt, seine Augen glühten wie zwei wütende Kohlen, sein Klemmbrett schwang wild hin und her.
    Lucy deutete auf den Grund des Beckens. »Ein Spanner«, sagte sie, und es klang, als würde ihr so was ständig passieren. Da ich Paul kannte, war das gut möglich.
    Was sich dann abspielte, war ziemlich spektakulär. Dave King brüllte wie ein Gorilla, warf sein Klemmbrett und die Stoppuhr auf den Beckenrand und sprang in voller Montur ins Wasser. Er schoss wie ein Torpedo direkt unter mir durch, packte Paul mit einer Hand und zerrte ihn unter Wasser durchs Becken.
    Auf der anderen Seite zog er ihn am Bein heraus, klatschte ihn auf den Boden und beugte sich knurrend und mit den Fäusten drohend über ihn. Paul war erst wie versteinert, robbte dann wie ein Walross auf dem Bauch davon und verschwand in der Umkleidekabine.
    Alle im Becken starrten rüber. Die alten Leute schwammen nicht mehr. Die hyperaktiven Jungen machten keine Arschbomben mehr. Und dem Bademeister war die Pfeife aus dem Mund gefallen.
    »Und du kannst verschwinden, Mario!«, brüllte Dave mich an. »Damit du meine Sportler nicht mehr ablenkst.«
    Das Wasser troff aus seiner Kleidung, und sein Hemd klebte an seinen gewaltigen Muskeln. Da ich nicht auch von ihm aus dem Wasser gezogen werden wollte, tauchte ich unter der Bahnbegrenzung durch. Als ich Lucys Bahn durchquerte, wollte ich mich für Paul entschuldigen, doch sie schoss schon wieder durchs Wasser.
    ZOSCH !
    Ich krümmte mich vor Schmerz. Als Brutus, der Muskelprotz, an mir vorbei geschwommen war, hatte sie mir mit ihren Quadratlatschen in den Bauch getreten. Ich glaube nicht, dass es ein Versehen gewesen war.

Umgang mit Gefühlen, 3 . Stunde
    Am Ende der gestrigen Stunde habe ich abrupt aufgehört zu schreiben, weil mir die Zeit ausgegangen war. Miss O’Malley sagte, ich würde große Fortschritte machen, und sie wünschte, sie müsste mich nicht unterbrechen. Ich weiß nicht, wie sie behaupten kann, dass ich Fortschritte mache, wo ich noch kein einziges Wort mit ihr gesprochen habe. Eigentlich hat sie beim letzten Mal die ganze Zeit an ihrem Schreibtisch gesessen und gepfiffen. Sie ist die erste Frau, die ich kennengelernt habe, die so was tut. Aber sie pfeift sehr gut.
    Obwohl sie nett ist, habe ich keine Lust, viel mit ihr zu reden. Ich weiß genau, dass ich in einem echt blöden Moment das Wort »Hände« sagen würde und sie sich dann schämen würde. Das will ich nicht.
    Heute haben wir uns wieder hingesetzt, und sie hat mir ein Glas Saft und einen Custard Cream spendiert.
    Custard Creams
    Ich mag Custard Creams.
    Eigentlich sind das meine absoluten Lieblingskekse. [7] Zwischen den beiden Kekshälften hat die Vanillecreme etwas richtig Kuscheliges.
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher