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Das Orakel von Port-nicolas

Das Orakel von Port-nicolas

Titel: Das Orakel von Port-nicolas
Autoren: Fred Vargas
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müssen es für sie versuchen – oder sie ist verloren. Los, Mathias, flitz los.«
    Mathias kletterte durch das kaputte Fenster hinaus, und Louis ging wieder nach oben.
    »Einverstanden«, sagte er dem Ingenieur. »Aber zuvor gehen wir an der großen Maschine vorbei. Wir müssen da noch was regeln. Lina«, fügte er leiser hinzu, »nehmen Sie Ihren Koffer.«
    Da Lina sich noch immer nicht rührte, hob er sie sanft mit beiden Armen an und schob sie zur Tür.
    »Marc, nimm ihren Koffer und auch ihren Mantel, es schüttet.«
    »Wo ist der andere, der Große?« fragte Sevran beunruhigt. »Ist er weggelaufen? Ist er los, um jemanden zu benachrichtigen?«
    »Er ist los, um uns Deckung zu geben.«
    Die drei Männer und Lina liefen durch den Regen. Als sie in der Ferne die gewaltige Silhouette der unnützen Maschine sahen, bat Louis Marc, hinten zu bleiben und aufzupassen. Marc blieb stehen und sah ihnen nach, wie sie schweigend weitergingen. Louis hielt Lina noch immer an der Schulter. Sie ließ sich schieben und zeigte nicht mehr Reaktionen als eine verängstigte Irre.
    »So«, sagte Louis und blieb am Fuß des großen Schrotts stehen. »Was machen wir damit, Sevran?« fragte er und deutete auf den Boden. »Denn da liegt doch Diego?«
    »Wie haben Sie das erfahren?«
    »Es gibt hier jemanden, der kann das wahre Unnütze vom vermeintlichen Unnützen unterscheiden, und einen anderen, der unter der Erde lesen kann. Zu zweit haben sie verstanden, daß dieses Monument des Unnützen mit all seinem Gewicht dazu diente, Diego zuzumauern. So ist es doch?«
    »Ja«, flüsterte Sevran in der Nacht. »Als Lina begriff, daß Diego beschlossen hatte, sie des Mordes an Thomas anzuklagen, hat sie ihn hier rausgeführt. Diego hat eingewilligt, darüber zu reden, aber er hatte sein Gewehr mitgenommen. Der alte Mann war zerbrechlich, sie hat ihn leicht überrumpelt und hat ihn abgeknallt. Ich war ihnen gefolgt und habe gesehen, wie Lina auf ihn geschossen hat. Ich war niedergeschmettert, an diesem Abend habe ich alles erfahren, den Mord an Thomas und dann dieses Verbrechen … In ein paar Sekunden habe ich beschlossen, Lina für immer zu helfen. Ich habe sie nach Hause gebracht, eine Schaufel genommen, bin wieder zurückgerannt, habe die Leiche in das Gehölz geschleift, Diego begraben, Steine draufgetan, ich war schweißgebadet, ich hatte Angst, ich habe alles ordentlich wieder zugemacht, festgestampft, Kiefernnadeln drübergestreut … Dann habe ich das Gewehr am Hafen hingelegt und ein Boot losgemacht. Das war nicht brillant, aber es mußte schnell gehen. Dann hat sich alles beruhigt, auch Lina.«
    Sevran strich ihr übers Haar, aber Lina, die noch immer von Louis’ Arm gehalten wurde, wandte den Kopf nicht um.
    »Später habe ich erfahren, daß die Parzelle abgeholzt werden sollte und man genau hier bauen wollte. Man würde graben und finden. Eine große Idee mußte her, um die Katastrophe zu verhindern. Also habe ich den Plan mit dieser Maschine entwickelt. Das Ding mußte ziemlich schwer sein, damit man es nicht vor einem Jahrhundert wegschaffen würde, und es mußte auf einfachen Durchstichfundamenten halten …«
    »Überspringen Sie die technischen Details, Ingenieur.«
    »Ja … ja … vor allem aber eine Maschine, die für den Bürgermeister verlockend genug wäre, daß er das Bauprojekt verlegte. Ich habe mich mit dieser verdammten Maschine abgequält, und niemand wird sagen können, daß sie nicht einzigartig auf der Welt ist, nein, niemand …«
    »Niemand wird das sagen können«, beruhigte ihn Louis. »Sie hat ihre Aufgabe bis hierher erfüllt. Aber es wäre besser, Diego wieder auszugraben und ihn anderswo hinzubringen, das wäre …«
    Ein Brüllen durchzog die Nacht, dann ein schwächeres, ersticktes zweites. Louis hob abrupt den Kopf und sah sich um.
    »Verdammt, Marc!« rief er. »Bleiben Sie da, Sevran.«
    Hinkend lief Louis zu dem Wäldchen und stürzte hinein. Er fand Marc da, wo er ihn zurückgelassen hatte – mit dem Rucksack und dem Koffer.
    »Von wegen Wunderquelle«, sagte Louis zu ihm und rieb sein Bein. »Komm, wir gehen zurück, es wird nicht lange gedauert haben.«
    Hundert Meter weiter hörten sie einen dumpfen Schlag.
    »Das«, bemerkte Marc, »ist der Aufprall des Jägers und Sammlers auf dem Rücken seiner Beute. Hetz dich nicht, er würde nicht mal einen Bison verfehlen.«
    Mathias hockte am Fuß der Maschine und drückte den Ingenieur, dessen Arme er hinter dem Rücken verschränkt hielt, zu
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