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Das Orakel von Port-nicolas

Das Orakel von Port-nicolas

Titel: Das Orakel von Port-nicolas
Autoren: Fred Vargas
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der gewaltigen unnützen Maschine. So ist das.«
    Louis zog Marc vom Bahnhofseingang weg.
    »Erklär mir das, Marc. Habt ihr es aufgemacht?«
    »Mathias muß die Erde nicht aufmachen, um zu wissen, was drunter ist. Ein Rechteck mit Brennesseln, die nicht so wachsen wie die anderen, reicht ihm. Das Grabrechteck ist unter die unnütze Maschine gezwängt, sag ich dir. Unnütze Maschine, wer’s glaubt, wird selig. Es hat mich schon erstaunt, daß ein Kerl wie Sevran sich für nichts abgeschuftet haben soll, das entspricht ihm nicht. Bei dem Ingenieur muß alles zu etwas nutze sein. Leute, die Geschmack am Unnützen haben, die spüre ich, seinesgleichen spürt man immer raus. Er dagegen hat im höchsten Maße Sinn fürs Nützliche. Seine Maschine dient teuflisch gut zu etwas. Nämlich Diegos Grab einzuklemmen, zwei Eisenstützen drüber, und keiner rührt mehr dran. Ich habe mich während der Essenspause beim Bürgermeister erkundigt. An der Stelle sollte mal der Supermarkt errichtet werden. Kannst du dir vorstellen, was passiert wäre, wenn die Fundamente ausgehoben worden wären? Aber Sevran hat eine große Maschine vorgeschlagen, er war es, der den Bürgermeister überzeugt hat, er war es, der die genaue Stelle für die Maschine im Gehölz festgelegt hat. Aus Liebe zur Kunst hat man den Supermarkt um hundertzwanzig Meter nach hinten verlegt. Und Sevran hat seine Maschine auf das Grab montiert.«
    Befriedigt schoß Marc über den Platz, um ein Taxi anzuhalten. Louis sah ihn rennen und biß sich auf die Lippen. Verdammt, was die Maschine anging, war er nicht hellsichtig genug gewesen. Marc hatte völlig recht, Sevran war keinesfalls ein Mann für das Unnütze. Ein Kolben muß sich bewegen, ein Hebel heben, und eine Maschine muß zu etwas dienen.

29
    Sie ließen das Taxi fünfzig Meter vor dem Haus der Sevrans anhalten.
    »Ich hol Mathias«, sagte Marc.
    »Wo ist er?«
    »Da hinten, ziemlich versteckt, die dunkle Masse unter der dunklen Masse in der dunklen Masse.«
    Als er die Augen zusammenkniff, erkannte Louis die große Gestalt des kauernden Jägers und Sammlers, der unter dem feinen Regen das Haus beobachtete. Angesichts dieses Typen auf der Lauer war nicht zu erkennen, wie man sich hätte verziehen können.
    Louis ging zur Tür und klingelte.
    »Das habe ich befürchtet, sie werden nicht reagieren. Mathias, schlag eine Fenstertür ein.«
    Marc stieg durch die zerbrochene Scheibe, und half dann Louis hindurch. Sie hörten, wie Sevran die Treppe hinunterstürzte und hielten ihn auf halbem Wege auf. Er schien völlig kopflos und hatte eine Pistole in der Hand.
    »Einen Augenblick, Sevran, wir sind’s nur. Wo ist sie?«
    »Nein, bitte, Sie verstehen nicht, Sie …«
    Louis schob den Ingenieur sanft beiseite und ging, von Marc und Mathias gefolgt, in Linas Zimmer hinauf.
    Lina Sevran saß starr an einem kleinen runden Tisch. Sie hatte aufgehört zu schreiben. Ihr zu großer Mund, ihre zu weiten Augen, ihr zu langes Haar, ihre um den Stift geklammerte Hand – alles an ihrer starren und wie aufgelösten Erscheinung beunruhigte Marc. Louis ging zu ihr, nahm das Blatt und las halblaut:
    »Ich klage mich der Morde an Marie, Diego und meinem Mann an. Ich klage mich an und verschwinde. Ich schreibe dies in der Hoffnung, daß meine Kinder …«
    Mit einer erschöpften Geste legte Louis das Blatt zurück. Der Ingenieur faltete und löste seine Hände immer wieder in einer Art schmerzgequälten Gebets.
    »Ich bitte Sie«, rief Sevran fast schreiend, »lassen Sie sie gehen! Was ändert das? Die Kinder! Lassen Sie sie gehen, ich bitte Sie … Sagen Sie ihr, ich bitte Sie … Ich wollte, daß sie geht, aber sie hört mir nicht mehr zu, sie sagt, sie sei am Ende, sie hätte nicht mehr die Kraft, und … ich habe sie gerade da gefunden, wie sie dabei war, das zu schreiben, mit der Pistole … Ich bitte Sie, Kehlweiler, tun Sie etwas! Sagen Sie ihr, sie soll gehen!«
    »Und Jean?« fragte Louis.
    »Die Bullen haben keinerlei Beweise! Wir sagen, daß es Diego war, nicht? Diego! Wir sagen, daß er immer noch lebt, daß er zurückgekommen ist, um alle umzubringen, nicht? Und Lina wird gehen!«
    Louis verzog das Gesicht. Er gab dem Ingenieur, der auf einem Stuhl zusammengesunken war, ein Zeichen und führte Marc und Mathias nach unten in den Raum mit den Maschinen, wo sie im Schatten der Geräte einen kurzen Augenblick flüsterten.
    »Einverstanden?« fragte Louis.
    »Das bedeutet, ein großes Risiko einzugehen«, murmelte Marc.
    »Wir
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