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Das Orakel von Port-nicolas

Das Orakel von Port-nicolas

Titel: Das Orakel von Port-nicolas
Autoren: Fred Vargas
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gesellschaftlichreligiösen Sackgasse, in der er sich befand. In der Apsis hörte man Jean hysterisch schluchzen.
    »Leutnant«, sagte ein Gendarm, »ich hole das Werkzeug, wir brechen das Schloß auf und holen das Schäfchen da heraus.«
    »Nein«, erklärte der Pfarrer. »Das Schloß stammt aus dem 17. Jahrhundert, und der Mann wird nicht angerührt.«
    »Sagen Sie mal, Sie werden doch wohl nicht wollen, daß wir uns nur wegen dieser Mörderschwuchtel ewig im Regen im Kreis drehen? Wir setzen Ihnen Ihr Schloß wieder ein. Fangen wir an, Inspektor?«
    Guerrec sah den Gendarm an, er war kurz davor, ihm eine Ohrfeige zu verpassen, hielt sich aber zurück. Guerrec war es leid. Er hatte die Nacht zusammen mit den Eltern am Bett des jungen Gaèl zugebracht und auf ein Wort, einen Blick gewartet, die nicht kamen.
    »Versuchen Sie hineinzukommen«, sagte Guerrec dem Pfarrer, »und reden Sie mit ihm. Ich schicke meine Männer weg und bleibe in der Nähe.«
    Der Pfarrer entfernte sich im Regen, und Guerrec ging und postierte sich allein unter einem Baum.
    Louis, der nicht länger geschlafen hatte als Guerrec, saß neben dem Wunderbrunnen am Kalvarienberg und überwachte die Szenerie von dort aus, während er die Hand ins Wasser hielt. Seitdem er den Pisser in der Bar des Café de la Halle erkannt hatte – er wußte doch, daß dieses Café gnädig mit ihm sein würde –, waren seine Gedanken schmutzbesudelt gewesen und voller Schmerz. Er hatte den Fall mit dem Hund zuletzt nur noch mit Unbehagen und wie im Nebel verfolgt. Jetzt lag die Wunde offen, aber der Schmutz war weg, er wusch die Hand, die diesen Unrat berührt hatte, er hatte den Vater in Lörrach angerufen, er hatte Marthe in Paris angerufen. Jetzt war nur noch der örtliche Exterminator zu entschärfen, der Junge in Quimper schwebte noch immer zwischen Leben und Tod, und Louis wußte, daß es trotz der Bewachung durch einen Polizisten einer geschickten Hand gelingen könnte, die Schläuche herauszuziehen, wenn sie schnell genug machte, das war schon vorgekommen, das hatte man schon erlebt, Bulle oder nicht Bulle, gerade erst vor zehn Jahren in Quimper, hätte Guerrec gesagt. Seine Gedanken kehrten zu dem vom Balkon gestürzten Ehemann zurück, zu Diegos Schweigen, seinem Verschwinden, dem ausweichenden Blick von Lina Sevran, zu den zwei Schüssen auf den Hund, zu der schützenden Aufmerksamkeit des Ingenieurs.
    Durchnäßt, wie er war, hätte er auch gleich sein Knie in die Quelle halten können.
    Louis hatte Bufo auf den Rand des Brunnens gesetzt.
    »Friß, Bufo, friß, das ist alles, was ich von dir verlange.«
    Louis nahm die Maschen seiner Gedanken wieder auf, Kapitel nach Kapitel, ein Auge immer auf seiner Kröte.
    »Hör mir zu, während du frißt, es könnte interessant für dich sein. Kapitel eins, Lina entledigt sich ihres Mannes über den Balkon. Kapitel zwei, Diego Lacasta kapiert, daß Lina getötet hat, und hält die Klappe, um Marie, die er liebt, nicht zu bekümmern. Kannst du mir folgen? Wie kapiert Diego das? Was sieht er zwischen den Ermittlungen in Paris und der Rückkehr in die Bretagne, was kapiert er, wo, wie? Im Grunde gibt es nur eine einzige interessante Sache zwischen Paris und Quimper, das ist der Zug, die Reise im Zug. Also, Kapitel drei, Diego sieht was im Zug, frag mich nicht, was, und vier, Diego hält sieben Jahre lang weiter die Klappe, selbe Ursache, selbe Wirkung. Fünf, Lina Sevran schafft sich Diego vom Hals.«
    Louis hatte sein Bein in den Bach getaucht, das Wasser war eiskalt. Da konnte man hoffen, Wunderwasser seien warm, nun, nicht mal das. Bufo hatte sich mit kleinen, schwerfälligen und vorsichtigen Sprüngen einen Meter entfernt.
    »Du machst mich wahnsinnig, du bist wirklich zu bescheuert.«
    Sechs, Marie soll bei den Sevrans einziehen. Sie räumt ihr kleines Haus und das unberührte Arbeitszimmer von Diego aus. Sie stößt auf ein Papier, irgendeine Sache, in der Diego die Geschichte schriftlich fixiert hat, es ist hart, alles für sich zu behalten. Sieben, Lina Sevran, die von Zweifeln befallen wird und den Umzug beobachtet, bringt die alte Marie unverzüglich um. Danach der Hund, der Strand, der Zeh, das Exkrement, das war alles bekannt.
    Louis zog sein Bein aus dem eisigen Wasser der Quelle. Vier Minuten im Wunder sollten genügen.
    Acht, die Bullen kreuzen auf. Lina wirft ein rotes Tuch, um in die Irre zu führen, der anonyme Brief, ein banaler, wirkungsvoller Konter. Sie beschuldigt das Paar von der Hütte und
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