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Das Orakel von Port-nicolas

Das Orakel von Port-nicolas

Titel: Das Orakel von Port-nicolas
Autoren: Fred Vargas
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damit sie nicht redet, ich vermute, du hast das Nächstliegende getan, du hast damit gedroht, den Kindern was anzutun. Lina wird also notgedrungen schweigen, Lina verreckt schier vor Angst. Seit meiner Ankunft und der Geschichte mit dem Hund hat sie Angst. Salut, Guerrec, ich mache mit dem Typen hier noch Schluß, dann übergeb ich ihn dir. Gaèl?«
    »Wird wieder«, sagte Guerrec.
    Guerrec schien froh, er hatte den Kleinen liebgewonnen.
    »Hör dir den Schluß an«, fuhr Louis fort. »Den Anfang erzähl ich dir nachher. Lina hat Angst wegen dem Zeh im Hundemaul. Denn an den Donnerstagen weiß der Hund, daß du fährst, und er folgt dir überallhin. Alle Hunde tun das, selbst dein Pitbull, aber ich bin zu lange mit meiner Kröte zusammen, um gleich drauf zu kommen. Lina dagegen weiß das. Der Gedanke entwickelt sich in ihr. Wenn der Hund Donnerstag abend Maries Zeh gefressen hat, dann weil du, Sevran, in der Nähe warst, der Hund wäre dir an den Abenden, wo du dein Auto rausholst, nie von der Seite gewichen. Der Gedanke entwickelt sich und schnürt ihr die Kehle zu, sie denkt an ihren ersten Mann, und an Diego, die Geschichte tritt wieder aus dem Dunkel hervor, Lina bekommt schreckliche Angst, sie glaubt, sie sei verrückt, sie glaubt, du seist verrückt, sie schafft es nicht mehr, normal zu handeln. Sie hat solche Angst, sie ist so stumm, daß sie jeden Verdacht auf sich zieht. Sie späht dich aus, sie folgt dir. Von da an ist sie verurteilt, und wie Idioten folgen wir deiner Fährte, einen Tag zuviel. Als ich heute abend mit dem Geheimnis der Virotyp zurückkam, hatte ich dich, aber ohne Beweis. Ohne einen anderen Beweis als Linas unglaubliche Unwissenheit über Schreibmaschinen, und das zählte nicht. Oder als meinen Beweis mit dem Hund. Er hatte mir seine Wahrheit ausgeschieden, jetzt gab er mir post mortem eine weitere: Der Hund haßte Lina, er wäre ihr nie auf den Strand gefolgt. Mit derart dünnen Beweisen und dem bockigen Schweigen Linas, die ihre Kinder schützte, war sie erledigt. Der Beweis mußte geschaffen werden. Heute abend, als ich dich gesehen habe, wie du ihr Geständnisse abgenötigt hast, um sie danach Selbstmord begehen zu lassen, hast du mir die Möglichkeit dazu geboten. Ich habe mich beeilt, aus Quimper zurückzukommen, das versichere ich dir, als ich erfuhr, daß sie heute fliehen wollte. Lina auf der Flucht – das war für dich zu riskant, du würdest sie beseitigen. Und doch ist vorstellbar, daß du sie immerhin genug geliebt hast, um sie Thomas wegzunehmen, es sei denn, du hättest allein seine Maschinen gewollt, das ist durchaus möglich. Ich habe dich hergeführt, damit du sie in dem einzigen Augenblick Selbstmord begehen läßt, den ich dir lasse, indem ich zu Marc laufe, du hattest keine Möglichkeit mehr, den Ort oder den Augenblick selbst zu bestimmen. Jetzt verstehst du, warum Mathias als Vorhut postiert war. Ich wäre das Risiko nicht eingegangen, wenn ich nicht sicher gewesen wäre, daß der Jäger dir auf den Rücken fallen würde. Du bist ein Stück Dreck, Sevran, ich hoffe, daß du das richtig verstanden hast, denn ich habe nicht die Courage, noch mal von vorn anzufangen.« Louis wandte sich wieder Lina zu und nahm ihr Gesicht in seine Hände, um zu sehen, ob der Schrecken daraus wich.
    »Wir nehmen das Gepäck wieder«, sagte er ihr. »Wir gehen.«
    Diesmal sagte Lina etwas. Das heißt, sie deutete ein Ja mit dem Kopf an.

30
    Louis blieb bis zehn im Bett.
    Er sammelte Marc und Mathias ein, um zu Blanchet zu gehen. Seitdem Louis ihm bei dem Milizionär die Rolle des Indianers übertragen hatte, amüsierte es Marc, den Apachen zu spielen, vorausgesetzt, es wurde nicht übertrieben. Ausnahmsweise entsprach er einmal dem Bild, das seine Stiefel vermittelten – da wäre es kaum angebracht gewesen zu murren. Auch Mathias lächelte, das Zermalmen des Milizionärs hatte ihm gefallen, wenn Louis’ Bemerkung, er habe die Hände eines Rohlings, ihn auch ein wenig schockiert hatte. Er gab keinen feinfühligeren Gräber als ihn, um die flüchtigen Überreste und die Mini-Stichel der Jäger des Magdalénien freizulegen. Mathias hatte an diesem Morgen vergessen, sich zu kämmen, und er fuhr sich mit den Fingern durch sein dichtes, verstrubbeltes Haar. Allerdings hätte er, das gab er gerne zu, nichts dagegen gehabt, seine feinfühligen Gräberhände als Fäuste auf Blanchets Schädel niedergehen zu lassen.
    Sie brauchten gar nichts zu tun.
    »Ich komme, um meine Bestellung abzuholen«,
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