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Das Orakel des Todes

Das Orakel des Todes

Titel: Das Orakel des Todes
Autoren: John Maddox Roberts
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erschrocken.“

    Kurz darauf kam der Junge zurück, den ich losgeschickt hatte, um die Priester zu holen. Er hieß Sextus Lucretius Vespillo und war der Sohn eines Freundes. Er war etwa vierzehn, hatte sich vor kurzem anlässlich seiner Männlichkeitszeremonie zum ersten Mal rasiert und war ziemlich aufgeregt. „Sie sind alle verschwunden!“, rief er. „Kein Lebenszeichen von ihnen! „
    „Gut“, sagte ich. „Dann wissen wir ja, wer den Kerl umgebracht hat.“
    „Aber wir wissen doch gar nicht, ob er umgebracht wurde“, wandte Plotius ein.
    “Warum ergreifen sie dann die Flucht wie die Perser beim Anblick eines Römers?“, entgegnete ich. „Für mich ist das eindeutig das Verhalten von Schuldigen. Ich verlange eine gründliche Suche nach diesen Priestern. Alle Männer herhören! Schnappt euch eure Pferde und schwärmt aus! Außerdem müssen wir die Stelle finden, an der Eugaeon ins Wasser gelangt ist. Irgendwo in der Umgebung muss es einen Zugang zu dem Fluss geben. Wahrscheinlich ist er verborgen, aber das darf kein Grund sein, ihn nicht zu finden.“
    Als sie sah, dass die Leiche dezent mit Tüchern bedeckt war, kam Julia zurück. „Gut, dass du kommst, meine Liebe, du kannst mir in dieser Angelegenheit eine große Hilfe sein.“
    „Wie das?“, fragte sie argwöhnisch.
    „Du scheinst dich mit dem Hekatekult ziemlich gut auszukennen.“
    „Ich habe die alten Religionen studiert, aber ich würde mich nicht als Expertin auf diesem Gebiet bezeichnen.“ „Trotzdem weißt du mehr als ich. Und wie es scheint, spielen Frauen in diesem Kult eine herausragende Rolle. Ich möchte dich bitten, Iola und die anderen Priesterinnen oder Priesteranwärterinnen, oder was auch immer sie sind, zu verhören. Frauen scheinen lieber mit Frauen zu reden als mit männlichen Amtsträgern.“
    „Aus gutem Grund“, sagte Julia.
    „Eben. Für die Dauer der Untersuchung werde ich hier im Tempel ein vorübergehendes Hauptquartier aufschlagen.“
    „Hältst du den Zwischenfall wirklich für so wichtig? Immerhin bist du ein römischer Praetor mit Imperium. Du könntest einen deiner Männer mit den Ermittlungen betrauen. Es gibt weitaus wichtigere Dinge, die deine Aufmerksamkeit verlangen.“
    Ich sah mich um und musterte die Umgebung: die Lichtung und den sich darüber erhebenden Tempel. „Da bin ich mir nicht so sicher. Die ganze Sache ist äußerst merkwürdig, und wir wissen alle, wie sehr es die Leute aufbringen kann, wenn eine ihrer lokalen Größen ermordet wird. Die allgemeine Stimmung ist ohnehin extrem aufgeheizt. Angesichts der Spannung zwischen Caesar und Pompeius und dem Senat fürchten die Leute einen Rückfall in die Wirren der Zeiten von Marius und Sulla.“
    „Das ist doch lächerlich!“, protestierte sie.
    „Selbst wenn du Recht hast - viele Leute haben Angst. deshalb will ich diesen Fall schnell abschließen, bevor die ganze Gegend wegen eines gewöhnlichen Mordes in Aufruhr ist.“
    Doch wie ich schnell herausfinden sollte, war an diesem speziellen Mord überhaupt nichts gewöhnlich.

Kapitel II
    Der Ärger ließ nicht lange auf sich warten. Der erste Abend ging zu Ende, ohne dass meine Männer die flüchtigen Priester oder den geheimnisvollen Zugang zu dem unterirdischen Fluss entdeckt hatten. Der Tempel und das umliegende Gelände boten mir und den Mitgliedern meines Gefolges, die ich auserwählt hatte, mich bei meiner Arbeit zu unterstützen, recht bequeme Unterkünfte. Die übrigen Leute schickte ich zurück in die Villa. Es war ein ausgesprochen luxuriöses Anwesen, das Quintus Hortensius Hortalus sein Eigen nannte und das er mir vererben wollte, wie er mich schon andeutungsweise hatte wissen lassen. Er lag damals bereits auf dem Sterbebett, daher wusste ich, dass sein letzter Wille bald verlesen werden würde.
    Am nächsten Morgen sprachen die ersten Leute bei mir vor. Ich saß im Portikus des Tempels auf meinem kuruli-schen Stuhl, der dem Brauch entsprechend mit Leopardenfellen drapiert war. Vor mir posierten meine Liktoren mit ihren Fasces. Als Erstes konsultierte mich eine Schar weiß gewandeter Apollopriester aus verschiedenen umliegenden Tempeln. Sie waren natürlich allesamt Griechen. Apollo ist ein von Rom anerkannter Gott, doch er stammt nicht aus Italia, sondern wurde von den Griechen eingeführt. Folglich sind seine Priester überwiegend Griechen, und die religiösen Riten werden gemäß der griechischen Tradition zelebriert. Ich persönlich fand ihn im Gegensatz zu den wirklich
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