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Das Nazaret-Projekt

Das Nazaret-Projekt

Titel: Das Nazaret-Projekt
Autoren: Heinrich Hanf
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den Weg in die nahegelegene heilige Stadt, allen voran natürlich Nathan Brock mit der Jungfrau Marie-Claire und dem hässlichen Kind, das zunehmend unruhiger wurde.
    Die Fahrt durch das karge Land dauerte wegen der Kontrollen an den zahlreichen Straßensperren trotz der kurzen Distanz von höchstens achtzig Kilometern erheblich länger als zwei Stunden. Schwester Marie-Claire wurde nun zunehmend besorgter, denn ihr unförmiges Kind begann offenbar ernsthaft wegen der drückenden und ungewohnten Hitze an Dehydration zu leiden. Brock schlug deshalb vor, eine kurze Erholungspause einzulegen und sich dabei mit ausreichend Getränken zu versorgen, aber der Telepath machte ihm sofort einen gehörigen Strich durch die Rechnung.
    Die braven Kreuzfahrer wurden plötzlich von einem beinahe unerträglichen Schmerz in ihren Schädeln erfasst; geradeso, als würden Ihre ausgedörrten Gehirne zusätzlich in einem Schraubstock zusammengepresst. Dann vernahmen sie zum allerletzten Mal die dröhnende, furchterregende Stimme ihres Herrn – oder besser gesagt, deren geistige Resonanz an der Basis ihrer Hypophysen:
    »WER DEM HERRN DIENEN WILL, DER MUSS OPFER BRINGEN UND JEGLICHES LEID UM MEINETWILLEN ERTRAGEN! HABE ICH EINST NICHT EBENSO FÜR EUCH GEDÜRSTET UND GELITTEN? WAHRLICH, ICH SAGE EUCH, NIEMALS WERDEN DIE KLEINMÜTIGEN UND VERZAGTEN DAS HIMMELREICH ERBLICKEN! SEHT IHR DENN NICHT, WIE GREIFBAR NAHE DAS ENDGÜLTIGE HEIL VOR EUREN AUGEN LIEGT? DER TEMPELBERG VON JERUSALEM IST JENER HEILIGE ORT, AN DEM SICH GOTTVATER UND DER HEILIGE GEIST MIT MIR VEREINIGEN WERDEN! DIES SOLL UM DIE STUNDE GESCHEHEN, DA DIE SONNE ÜBER EUREN HÄUPTERN SENKRECHT STEHT. WER VON EUCH JETZT ZURÜCKSCHRECKT UND MEINEN WILLEN NICHT VOLLSTÄNDIG ERFÜLLT, DER WIRD TAUSEND TODE STERBEN UND DANN DER EWIGEN FINSTERNIS UND VERDAMMNIS ANHEIM FALLEN!«
    Niemand wagte es, den Zorn der heiligen Dreifaltigkeit auf sich zu ziehen, also setzte die Karawane ihren Weg durch Hitze, Staub und Sand schweigend und duldsam fort. Als sich Brocks Fahrzeug endlich durch die Außenbezirke der Stadt bewegte und dem Tempelbezirk immer näher kam, bemerkte Schwester Marie-Claire mit großem Entsetzen, dass sich das Äußere ihres Sohnes schnell und drastisch zu verändern begonnen hatte.
    Achnachthon Jesus Christus lag mit weit aufgerissenem Mund und Nasenlöchern in seinem Kinderwagen auf dem Rücken und hyperventilierte mit beängstigender Frequenz und Lautstärke. Gleichzeitig begann sein ohnehin schon unförmiger, anormal großer Kopf mehr und mehr anzuschwellen, bis er nahezu die Größe eines Hüpfballes erreichte und rechts und links zwischen den Wänden des Kinderwagens beinahe eingeklemmt wurde.
    Nicht nur die christliche Reisegesellschaft, sondern auch ein großer Teil der Einwohner der Stadt wurden ganz plötzlich von einer unerklärlichen Übelkeit sowie rasenden Kopfschmerzen befallen. Nicht einmal zehn Minuten später starben in Jerusalem dutzendweise Kleinkinder und alte Menschen an akutem Versagen ihres vegetativen Nervensystems.

    *

    Hamid und Rashid, die beiden Brüder und Gotteskrieger aus dem ehemaligen Gazastreifen, hockten derweil auf dem schmutzigen Boden im Keller eines uralten Hauses dicht am Tempelbezirk und rauchten zum letzten Mal in ihrem kurzen Leben Opium aus einer kleinen Pfeife. Dann knieten sie sich neben das eingeschaltete Funkgerät und begannen im Flüsterton mit wiegenden Oberkörpern und geschlossenen Augen Allah anzurufen und einschlägige Koransuren zu rezitieren.
    Nach anfänglichen Orientierungsproblemen und aufkommender Verzweiflung hatten sie endlich die kleine, elektronische Steuereinheit für den Bombenzünder in einer Mauernische entdeckt, die hinter einem großen Haufen Gerümpel und Feuerholz verborgen gewesen war.
    Außer dem Flüstern ihrer eigenen Stimmen und dem statischen Rauschen des Transistorempfängers glaubten die Brüder plötzlich noch ein weiteres, viel höheres und unangenehmes Dauergeräusch zu vernehmen; eine kräftige, höchst dissonante Schwingung, die durch Mark und Bein ging und die Schädelbasis schmerzen ließ.
    Hamid vermisste mit einem Male zutiefst seine geliebte Kalaschnikow und Rashid das vertraute Gewicht des obligatorischen Dynamitgürtels um seine Hüften – nur mit einem kleinen Walkie-Talkie, einem schwarzen Metallkästchen mit justierbarem, grünen Zahlendisplay und einem blinkenden, roten Druckknopf daneben kamen sich die beiden Dschihad-Krieger nackt und schutzlos vor.
    Unvermittelt schoss
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