Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Nazaret-Projekt

Das Nazaret-Projekt

Titel: Das Nazaret-Projekt
Autoren: Heinrich Hanf
Vom Netzwerk:
städtische Stromnetz von Jerusalem sichergestellt worden. Dass alle an der Aktion beteiligten Männer anschließend von israelischen Soldaten und Sicherheitskräften getötet worden sind, war ein besonders geschickter Schachzug von Zenghi gewesen, um jeden Mitwisser seines Geheimnisses auszuschalten. Alles, was jetzt noch notwendig wäre, war ein palästinensischer Märtyrer, der die in einem Keller verborgenen Schalter in der festgelegten Reihenfolge bedienen würde. An todesmutigen Selbstmord-Kandidaten herrschte ja aber zum Glück in dieser Zeit keinerlei Mangel!
    Noch von Bord des gekaperten Frachtschiffes aus hatte Zenghi bereits eine wahre Flut von Telefonaten in den mittleren Osten geführt und mindestens ebenso viele E-Mails verschicken lassen, in deren Gefolge bei den meisten Adressaten hektische Betriebsamkeit ausgebrochen war.
    In den Moscheen und moslemischen Teestuben in und um Jerusalem hatte es schon nach wenigen Stunden nur mehr ein Thema gegeben, nämlich die Prophezeiung des Imam Attabek Zenghi, dem Allah unmissverständlich seinen Willen kund getan hatte, als Rache für die Zerstörung der moslemischen Heiligtümer zuallererst diese Stadt zu vernichten. Dass dabei ein weiteres islamisches Heiligtum zerstört werden würde, gehörte zweifellos in die Kategorie ›Allahs unerforschlicher Ratschluss‹ und wurde vor allem von den Islamisten deshalb als notwendiges Opfer empfunden. Gott, der Allmächtige, würde schon für neue Tempel und Heiligtümer sorgen, sobald seiner Rache ausreichend Genugtuung widerfahren sein würde!
    Eine Welle der Flüsterpropaganda spülte daraufhin durch die engen Gassen und Häuser des Araberviertels. Alle Moslems wurden eindringlich aufgerufen, Jerusalem möglichst schnell zu verlassen, sofern ihnen ihr Leben und das ihrer Kinder und Angehörigen lieb sei.
    Attabek saß auf einem Liegestuhl im Heck des Schnellbootes und starrte gebannt ins Kielwasser, das von den mächtigen Zwillingsschrauben wie Cappuccino-Milch aufgeschäumt wurde und sich in keilförmigen Wellen bis an den Horizont fortpflanzte.
    Dabei kehrten seine Gedanken unwillkürlich zu jenem eigenartigen alten Mann aus Deutschland zurück, der sich Hieronymus Meyrink nannte und der ihn, den großen Imam Attabek Zenghi, auf ganz unerklärliche Weise in seinen Bann gezogen hatte. Noch nie hatte jemand in bestem Arabisch so zu ihm gesprochen wie dieser Alte aus dem Abendland, der mehr echte Weisheit und religiöse Autorität besaß als sämtliche Imame zusammengenommen, die er je kennengelernt hatte.
    Woher sollte ein Krieger und Politiker wie Zenghi auch wissen, dass der lebendige und wahre Islam seine natürliche und längst überfällige Weiterentwicklung ausgerechnet durch die Menschen im Westen der Welt finden würde, die dessen Herz vom Betonmantel religiös verbrämter Machtpolitik befreit und seine innere Wahrheit und Bedeutung neu entdeckt hatten?
    Auch Nathan Brock saß zur selben Zeit an Deck seiner Yacht ›Rosebud‹ und blickte erwartungsvoll über das Mittelmeer zum Horizont, allerdings nicht vom Heck, sondern vom Bug des Schiffes aus. Bezeichnender Weise ging also der Blick des Kreuzfahrers nach Osten, wogegen die Augen seines Widersachers, von dessen Existenz er noch nicht einmal erfahren sollte, starr nach Westen gerichtet waren.
    Noch weitaus bezeichnender war allerdings die Art der Gedanken, die dem Logenmeister durch den heißen, wirren Kopf gingen. Nathans Psyche hatte bereits jeden Bezug zur Realität verloren und gaukelte ihm verheißungsvolle, prächtige Bilder von seiner persönlichen Zukunft und einer spirituellen Karriere im neuen weltlichen Reiche Gottes vor. Achnachthon Jesus Christus, der Telepath und Symbiont, unterstützte solche Träume natürlich nach Kräften, um seine Kreuzfahrertruppe bei Laune zu halten und gefährliches Gedankengut zu unterdrücken.
    Kapitän Steven Monk, der sich seit Kurzem weder in seiner Haut noch auf seinem Schiff wohl fühlte, brachte Nathan Brock ein Glas heißen Tee mit Rum und blieb dann einen Augenblick bei seinem Boss an der Bugreling stehen.
    »Ich bitte um Verzeihung, Sir. Ich störe Sie nur ungern, aber es wird langsam Zeit für eine Kursbestimmung! Haben Sie sich schon entschieden, welchen Hafen wir in Israel anlaufen werden? Haifa oder Tel Aviv?«
    Vorsichtig nippte der Medien-Tycoon an seinem dampfenden Tee.
    »Nun, Käpt’n Monk. Es wurde entschieden, in Tel Aviv an Land zu gehen, denn von dort bis nach Jerusalem ist es nicht weit. Unser
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher