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Das Nazaret-Projekt

Das Nazaret-Projekt

Titel: Das Nazaret-Projekt
Autoren: Heinrich Hanf
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ein Filipino brachte ein Tablett mit verschiedenen Nahrungsmitteln sowie einige Dosen deutsches Bier herein, das er schweigend auf dem Tisch abstellte. Dann verschwand der Bursche nach einem steifen Kopfnicken und verschloss die Tür wieder.
    Der hungrige Reverend ergriff sofort entzückt mit einer Hand eine Bierdose, mit der anderen eine Gabel und machte Anstalten, sich über eines der lecker duftenden Schnitzel herzumachen, als Hieronymus unvermittelt sein Handgelenk umfasste und eisern festhielt, wobei er ihn warnend anblickte.
    »Ich fürchte, mein Sohn, wir haben uns nicht geirrt. Die Menschen hier auf diesem Schiff sind tatsächlich keine richtigen Moslems! Wie können sie von uns erwarten, Unreines und Verbotenes zu essen und zu trinken?«
    Nach einem Augenblick der Überraschung verstand Telly das Manöver und spielte mit. »Ihr habt Recht, verehrter Meister. Ich glaube gar, dieser Imam Zenghi ist nichts weiter als ein gewöhnlicher Schwindler und Pirat!«
    Hieronymus blickte ihn finster an und legte den Zeigefinger auf seine Lippen. Dann machten sie sich über die Beilagen des Essens her und ließen – wie jeder brave Moslem – Schweineschnitzel und Bier unberührt.
    Eine gute halbe Stunde später wurde die Kajütentür erneut aufgesperrt und einer von Zenghis Paladinen erschien, um das Essensgeschirr abzuräumen. Diesmal wurden Telly und Hieronymus von dem Gotteskrieger beinahe freundlich gegrüßt und als der Mann wieder ging, ließ er ein paar Flaschen Mineralwasser auf dem Tisch zurück und schloss die Türe hinter sich, diesmal jedoch ohne sie wieder zu verriegeln. Hieronymus hob die Augenbrauen und blickte seinen Adlatus triumphierend an.
    »Sehen Sie, Allah denkt an die Seinen. Gesegnet sei auch die Weisheit und Gerechtigkeit seines Dieners, des großen, hochgeschätzten und berühmten Imam Attabek Zenghi aus Samarkand! Was halten Sie übrigens jetzt von einem kleinen Verdauungsspaziergang an der frischen Luft? Meine alten Knochen brauchen unbedingt ein bisschen Bewegung.«
    Wenig später marschierten die beiden einträchtig nebeneinander das beinahe 130 Meter lange Schiffsdeck auf und ab. Der Reverend schilderte dem Älteren tief bewegt die erschütternden Ereignisse in Mekka und Medina und erzählte anschließend schuldbewusst von dem fatalen Zusammenhang zwischen seiner anmaßenden Funktion als Großmeister einer geheimen Loge und der Person des Attentäters Gabriel Landau, der mit seinem Amoklauf die Welt in Angst und Aufruhr versetzt hat. Zuletzt berichtete Telly noch von seinem eigenartigen Traum kurz vor der Katastrophe, obwohl ihm dessen Bedeutung und Ursache in dem Augenblick schon klar geworden waren, da er von den tragischen Ereignissen erfahren hatte. Hieronymus, der die ganze Zeit schweigend und mit einem kummervollen Gesichtsausdruck neben dem Prediger hergelaufen war, blieb plötzlich stehen und blickte sorgenvoll über die Reling hinaus aufs Meer.
    »Ich kann sehr gut verstehen, wie Ihnen zu Mute ist, und ich für meinen Teil verstehe jetzt auch, warum sich auf einer höheren Ebene der Energievortex plötzlich so drastisch verändert hat! Wegen Ihrer Schuldgefühle möchte ich allerdings zunächst klarstellen, dass sie absolut fehl am Platze sind! Früher oder später wäre eine Katastrophe wie diese auf jeden Fall geschehen, mit oder ohne Ihre vermeintliche Verstrickung. Warum das so ist, lässt sich leider nicht mit ein paar Worten erklären, aber eine Tatsache sollten Sie sich absolut klar machen: Die Wurzel des Übels ist die Totenstarre, in die leider jede Art von Religion versinkt, sobald sie eine feste, äußere Form annimmt. Sie müssen unbedingt verstehen, dass Gott überhaupt keine Religion hat, und genauso wenig eine braucht – wozu sollte er auch? Nennen Sie mir bitte einen einzigen wirklichen Heiligen oder Propheten, der zu seinen Lebzeiten jemals eine Religion begründet oder dies von den Menschen ausdrücklich verlangt hat? Sie werden keinen finden! Religionen sind immer hierarchische, zutiefst weltliche Machtgefüge, die durchwegs erst eine oder sogar mehrere Generationen später entwickelt und etabliert worden sind; nicht von ungefähr herrschen darin immer auch solch stark repressive Elemente vor wie Gehorsam, Schuld, Sühne und Strafe. Die Gründung dieser Religionen mag zwar durchaus in guter und sogar menschenfreundlicher Absicht geschehen sein, die Resultate sind aufgrund versteckter, kosmischer Gesetzmäßigkeiten jedenfalls stets die selben, nämlich das
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