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Das Monster von Bozen

Das Monster von Bozen

Titel: Das Monster von Bozen
Autoren: Burkhard Rüth
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Asphalt auf und verlor für einen kurzen Moment das Bewusstsein. Als er wenige Augenblicke später wieder zu sich kam und sich mühsam, wie in Trance, umdrehte, um aufzustehen, blickte er unvermittelt in den Lauf seiner eigenen Waffe. Sie musste ihm bei dem Sturz aus der Hand gefallen sein.
    Jetzt hatte Mantinger sie. Er baute sich vor Vincenzo auf, das Gesicht zu einer höhnisch grinsenden Fratze verzerrt, und zielte auf Vincenzos Kopf.
     
    Nachdem er sich erbrochen hatte, versuchte Marzoli weiterzulaufen. Es gelang ihm nicht, seine Beine gehorchten ihm nicht mehr. Er musste erneut stehen bleiben und in die Hocke gehen. Sein Herz raste wie verrückt, es beruhigte sich gar nicht mehr, unwillkürlich musste er an Arthur Achatz denken. Mit dem ekelhaften Geschmack von Galle im Mund richtete er sich auf, eine prometheische Anstrengung. Er konnte weder Bellini noch Mantinger sehen. Die kleine Gasse, in die Bellini abgebogen war, lag etwa hundert Meter weit entfernt. Ununterbrochen nach Luft schnappend, setzte sich Marzoli taumelnd wieder in Bewegung.
     
    Vincenzo kniete halb aufgerichtet auf der Straße, stützte sich mit der rechten Hand ab und sah zu Mantinger auf, der keine zwei Meter vor ihm stand. Er zielte noch immer auf Vincenzos Kopf. Mit eisiger Stimme sagte er: »Das ist der Unterschied zwischen uns, Commissario. Ich an Ihrer Stelle hätte mich in der Wohnung sofort weggepustet, aber Sie haben diesen dümmlichen Ehrenkodex, niemals auf einen fliehenden Unbewaffneten zu schießen. Jetzt sind Sie mir in die Falle gegangen. Und? Bereuen Sie es, sich mit mir angelegt zu haben? Wenigstens wissen Sie jetzt, dass Ihr kümmerliches Dasein endet, weil Sie es mit einem haushoch überlegenen Gegner zu tun hatten! Ihr Pech! Arrividerci , Commissario!«
    Vincenzo starrte ihn an. Er war völlig gelähmt. Niemals hätte er es für möglich gehalten, dass es so enden würde. Es war doch sein erster eigener Mordfall, und er war noch keine vierzig! Er war fähig, durchtrainiert, konsequent in seinen Entscheidungen. Doch in seiner letzten Sekunde musste er erkennen, dass er denselben Fehler gemacht hatte wie zuvor Mantinger. Er hatte sich überschätzt. Niemals hätte er ihn allein verfolgen dürfen – Polizeischule, erste Lektion. Zudem hatte Mantinger zigmal, angefangen in Köln, seine menschenverachtende Kaltschnäuzigkeit unter Beweis gestellt. Spätestens an der Abbiegung in diese Gasse hätte er die Verfolgung abbrechen und auf die Verstärkung warten müssen. Diese Gedanken schossen ihm in wenigen Bruchteilen von Sekunden durch den Kopf. Gleichzeitig sah er Gianna vor sich, lachend auf dem Rittner Horn, verliebt am Strand, wütend in Sand in Taufers. Er meinte sogar, ihre Stimme und ihr Lachen aus einer weiten Ferne zu hören. Er schloss die Augen.
     
    Stille, vollkommene Stille. Dann ein ohrenbetäubender Knall, laut wie eine Explosion, dann wieder Stille. In der kleinen Straße gingen Lichter an, Fenster und Türen wurden geöffnet, erschrockene Gesichter sahen in die Nacht hinaus.
     
    Woher kam das viele Blut? Konnte das denn sein? Er sah an sich hinunter. Aus der linken Seite schoss Blut. Die Waffe fiel zu Boden.
     
    Ispettore Marzoli rannte auf Vincenzo zu und schrie: »Ist alles in Ordnung, Bellini? Bellini? Bellini! Reden Sie, Mann, sind Sie getroffen?«
    Vincenzo begriff nicht, was geschehen war. Der Schuss war gefallen. Lebte er noch oder war er tot? Er spürte keinen Schmerz. War das der Schock? Wer war das, der da vor ihm auf der Straße lag? Und wer stand vor ihm und redete auf ihn ein? Das war doch Ispettore Marzoli. Marzoli, sein Kollege! Aber wer hatte geschossen?
    Erst als Marzoli vor ihm auf die Knie ging und ihn schüttelte, begriff er. Es war Marzoli, der geschossen hatte, nicht Mantinger. Sein Kollege hatte ihn erwischt, bevor er abdrücken konnte. Vincenzo sah zu Mantinger, der reglos auf der Straße lag. Staksig wie eine Marionette stand der Commissario auf, ging zu dem reglos daliegenden Mann und fühlte seinen Puls. Er zog sein Handy aus der Tasche und wählte die Notrufnummer eins eins acht. » Pronto! Hier Commissario Vincenzo Bellini, wir haben jemanden mit einer Schussverletzung. Wir brauchen sofort einen Krankenwagen und einen Notarzt«, sagte er und gab die Adresse durch. Seine Stimme klang gepresst und unnatürlich.
    Marzoli wandte sich erneut an Vincenzo und fragte: »Sind Sie okay, Commissario? Haben Sie was abbekommen?« Vincenzo sah ihn einen Moment an und nahm ihn dann wortlos in
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