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Das Mondkind (German Edition)

Das Mondkind (German Edition)

Titel: Das Mondkind (German Edition)
Autoren: Dean Koontz
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Kellergeschoss, ein einziges unterirdisches Stockwerk, nicht dreißig oder einunddreißig.
    Also konnte das hier nicht mehr das Pendleton sein. Was noch weniger einleuchtend war. Es war sogar vollkommen unsinnig.
    Vielleicht war er ohnmächtig geworden. Ein Wodka-Albtraum.
    Doch kein Traum konnte so lebhaft sein, von einer derart ausgeprägten Körperlichkeit. Sein Herz donnerte. Der Puls pochte in seinen Schläfen. Säurereflux ließ seine Kehle brennen, und als er schwer schluckte, um die bittere Flüssigkeit gewaltsam nach unten zurückzudrängen, traten ihm vor Anstrengung Tränen in die Augen und ließen alles verschwimmen.
    Er tupfte die Tränen mit dem Ärmel seines Jacketts weg. Blinzelnd starrte er auf die Leuchtanzeige: 13, 14, 15 …
    Plötzlich versetzte ihn die intuitive Überzeugung in Panik, dass er an einen Ort befördert wurde, der ebenso grauenerregend wie geheimnisvoll war, und er ließ den Handlauf los. Earl trat auf die andere Seite der Kabine und suchte das von hinten erleuchtete Bedienungsfeld nach einem Nothalteknopf ab.
    Es gab keinen.
    Als die Kabine an der 23 vorbeikam, presste Earl einen Daumen fest auf den Knopf für die 26, doch der Aufzug hielt nicht an und wurde nicht einmal langsamer, bis er an der 29 vorbeifuhr. Erst dann ließ der Schwung rasch und doch reibungslos nach. Mit einem schwachen feuchten Zischen wie von Hydraulikflüssigkeit, die in einen Zylinder gepresst wird, kam die Kabine vollständig zum Stehen, anscheinend dreißig Stockwerke unter der Stadt.
    Durch eine übernatürliche Angst ernüchtert – er hätte allerdings nicht sagen können, wovor er sich fürchtete – wich Earl Blandon von der Tür zurück. Mit einem dumpfen Geräusch prallte er gegen die Rückwand der Kabine.
    In seiner sagenumwobenen Vergangenheit als Mitglied des Senatsausschusses zur parlamentarischen Kontrolle des Verteidigungsministeriums und zur militärischen Handlungsfreiheit der Vereinigten Staaten hatte er einmal eine Zusammenkunft besucht, die in dem Bunker tief unter dem Weißen Haus stattgefunden hatte, wo der Präsident eines Tages versuchen könnte, einen nuklearen Holocaust zu überstehen. Diese Festung in der Tiefe war hell und sauber gewesen, und doch hatte sie auf ihn einen bedrohlicheren Eindruck gemacht als jeder Friedhof bei Nacht. Aus seinen frühesten Zeiten als Landesgesetzgeber, zu denen er noch geglaubt hatte, an solchen einsamen Orten könnte niemand aus Erde, Gräbern und Staub wiedererweckt werden, um die Übergabe einer Bestechungssumme zu bezeugen, besaß er einige Erfahrung mit Friedhöfen. Und dieser stille Aufzug kam ihm sogar noch viel bedrohlicher vor als der Präsidentenbunker.
    Er wartete darauf, dass sich die Tür öffnete. Und wartete.
    Während seines ganzen Lebens war er nie ein furchtsamer Mann gewesen. Stattdessen löste er in anderen Furcht aus. Es überraschte ihn, dass es möglich war, ihn so plötzlich und so vollständig in Panik zu versetzen. Aber ihm war klar, was ihn in diesen erbärmlichen Zustand versetzte: Anzeichen für etwas Jenseitiges.
    Als strikter Materialist glaubte Earl nur an das, was er sehen, anfassen, schmecken, riechen und hören konnte. Er verließ sich auf nichts als sich selbst und er brauchte nieman den. Er glaubte an seine mentale Stärke, an seine einzigartige Gerissenheit, jede Situation zu seinem Nutzen manipulieren zu können.
    Doch in Gegenwart des Unheimlichen war er wehrlos.
    Schauer durchzuckten ihn mit einer solchen Heftigkeit, dass es schien, als könnte er hören, wie seine Knochen aneinanderschlugen. Er versuchte seine Hände zu Fäusten zu ballen, erwies sich jedoch als so schwach vor Grauen, dass es ihm nicht gelang. Er hob sie seitlich in die Höhe und sah sie an, um ihnen seinen Willen aufzuzwingen – sie mit reiner Geisteskraft dazu zu bewegen, dass sie sich zu Waffen mit festen Knöcheln schlossen.
    Er war wieder nüchtern genug, um zu begreifen, dass dem ahnungslosen Besucher aus der Dritten Welt die beabsichtigte Kränkung in der Cocktailbar nicht einmal durch die beiden Wörter, die jetzt auf den Mittelfinger seiner rechten Hand tätowiert waren, klarer geworden wäre. Wahrscheinlich konnte der Typ die englische Sprache genauso wenig lesen wie sprechen.
    Earl kam einer negativen Selbstbeurteilung näher denn je, als er vor sich hin murrte: »Du Idiot.«
    Als die Türen des Aufzugs zur Seite glitten, schien sich seine vergrößerte Prostata ganz im Gegensatz zu seinen Händen zu fest zusammenzuziehen. Er
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