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Das Mondkind (German Edition)

Das Mondkind (German Edition)

Titel: Das Mondkind (German Edition)
Autoren: Dean Koontz
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über den Marmorboden des Foyers lief. Durch die Zwischentür, deren Summer Norman betätigt hatte, betrat er den Gemeinschaftsflur, wo er sich nach links wandte und auf dem Weg zum nördlichen Aufzug bei der Aussicht auf einen Schlummertrunk genüsslich seine Lippen leckte.
    Seine Wohnung befand sich im zweiten Stock und somit in der obersten Etage. Er hatte keinen Ausblick auf die Stadt, nur Fenster zum Innenhof. Das Stockwerk bot sieben weiteren Wohnungen Platz, doch die Lage der seinen war gut genug, um von einem Penthouse zu sprechen, insbesondere, da es sich bei dem Gebäude um das renommierte Pendleton handelte. Earl hatte früher ein Herrenhaus mit siebzehn Zimmern besessen, umgeben von zwei Hektar Land. Das Anwesen und andere Werte hatte er zu Geld gemacht, um die horrenden Honorare von blutsaugenden Strafverteidigern zu bezahlen – verlogene Schurken, die alle in der Hölle schmoren sollten, das reinste Natterngezücht.
    Als sich die Türen des Aufzugs schlossen und die Kabine nach oben zu fahren begann, betrachtete Earl das handgemalte Wandgemälde über der weißen Täfelung, das auch die Decke einbezog: Rotkehlchen, die sich freudig in einen Himmel aufschwangen, dessen Wolken von Sonnenschein vergoldet wurden. Manchmal, jetzt zum Beispiel, erschienenen ihm die Schönheit der Szene und die Freude der Vögel gekünstelt und unangenehm aufdringlich, und er hätte sich gern eine Dose Sprühfarbe besorgt und das gesamte Bild unkenntlich gemacht.
    Vielleicht hätte er es tatsächlich in einem Akt von Vanda lismus zerstört, wenn die Sicherheitskameras in den Fluren und im Aufzug nicht gewesen wären. Aber die Wohnungseigentümergemeinschaft würde es ja doch nur restaurieren und ihn die Arbeit bezahlen lassen. Ihm wurden keine großen Summen mehr in Koffern, Reisetaschen, dicken gelbbraunen Umschlägen, in Einkaufstüten, in Donutkartons oder durch kostspielige Edelnutten überbracht, die Bündel von Scheinen mit Klebeband an ihren Körpern befestigt hatten und bei ihrem Eintreffen unter den ledernen Trenchcoats nackt waren. Derzeit verspürte der ehemalige Senator so häufig den Drang, so viele Dinge zu verunstalten, dass er sich dringend um Selbstbeherrschung bemühen musste, wenn er sich nicht durch mutwillige Zerstörung ins Armenhaus bringen wollte.
    Er schloss die Augen, damit er die schmalzige Szene nicht länger zu sehen brauchte – Rotkehlchen am sonnendurchfluteten Himmel. Als die Lufttemperatur von einem Moment auf den anderen abrupt um vielleicht zehn Grad sank, während der Lift durch den ersten Stock fuhr, riss Earl erschrocken die Augen auf und drehte sich bestürzt um, sowie er sah, dass ihn das Wandgemälde nicht mehr umgab. Auch die Sicherheitskamera fehlte. Die weiße Wandtäfelung war ebenfalls verschwunden. Kein Marmor mit Einlegearbeiten unter seinen Füßen. An der Edelstahldecke verströmten Kreise aus einem undurchsichtigen Material blaues Licht. Die Wände, die Türen und der Fußboden bestanden samt und sonders aus gebürstetem Edelstahl.
    Ehe Earl Blandons Gehirn, das gründlich in Martini mariniert war, die Verwandlung des Aufzugs vollständig verarbeiten und akzeptieren konnte, beendete die Kabine ihre Fahrt nach oben – und sackte in die Tiefe. Sein Magen schien sich zu heben und dann ebenfalls herabzustürzen. Er taumelte zur Seite, umklammerte den Handlauf und schaffte es, auf den Füßen zu bleiben.
    Die Kabine wackelte nicht und sie wankte auch nicht. Kein Surren von Schachtseilen. Die Kabel liefen geräuschlos über gut geschmierte Rollen. Mit der Geschwindigkeit eines Expresslifts raste der Stahlkasten geschmeidig und lautlos nach unten.
    Vorher war die Positionsanzeige des Lifts – U , E , 1, 2 – ein Teil des Bedienungsfelds rechts neben der Tür gewesen. So war es immer noch, doch jetzt begannen die Zahlen bei 2, führten abwärts zu 1 und zu E und zu U, gefolgt von einer neuen Zahlenreihe von 1 bis 30. Das hätte ihn selbst dann verwirrt, wenn er nüchtern gewesen wäre. Während die Ziffern im Anzeigefeld stiegen – 7, 8, 9 –, sank die Kabine immer tiefer. Er konnte eine Aufwärtsbewegung nicht irrtümlich für eine Abwärtsbewegung halten. Der Boden schien unter ihm herauszufallen. Außerdem hatte das Pendleton nur vier Etagen und davon drei über dem Boden. Die Etagen, die auf diesem Bedienungsfeld dargestellt waren, mussten unterirdisch sein. Sie mussten alle unter dem Keller liegen.
    Aber das war nicht einleuchtend. Das Pendleton hatte nur ein
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