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Van Helsing

Van Helsing

Titel: Van Helsing
Autoren: Kevin Ryan
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Prolog
     
    »Victor, ich bin so stolz auf dich.«
    Elizabeth beugte sich vor, und Victor Frankenstein spürte ihre warmen Lippen an seiner Wange. Er musste sich leicht nach unten neigen, damit sie ihn erreichen konnte. Victor war zwar selbst nicht groß, überragte aber seine Verlobte. Elizabeths blaue Augen strahlten ihn an. In ihnen spiegelte sich ihre Aufregung, ihre Bewunderung, und zum tausendsten Mal hoffte er, dass er eines Tages ihrer Ergebenheit wert sein würde.
    Victor streckte die Hand aus, fuhr Elizabeth über die schulterlangen blonden Locken und genoss ihre Nähe. Wie gewöhnlich war sie adrett gekleidet. Ihre Locken waren gebändigt und lagen ihr nun dicht am Kopf. Elizabeths äußere Erscheinung war stets makellos – makelloser sogar noch als Victors. Sie hatte den braunen Anzug und die Krawatte ausgesucht, die er jetzt trug, und als er sie ansah, strich sie ihm sanft eine Haarsträhne aus dem Gesicht.
    Sie lächelte ihn an, und Victor stellte erneut fest, dass er seine Kraft von ihr bezog. Es erschien ihm unmöglich und wenig wissenschaftlich, dass ihr kleiner, schlanker Körper Kraft auf ihn übertragen konnte, aber so war es. So lange hatte sie auf ihn gewartet. Da waren die Jahre des Medizinstudiums gewesen und dann seine Entscheidung, sich von der Chirurgie abzuwenden und ganz der Forschung zu widmen, die eine weniger sichere Zukunft bot. Als Forscher wurde sein Lebensunterhalt von seiner Fähigkeit bestimmt, Stipendien und Forschungsgelder zu gewinnen. Sein Erfolg hing ebenso sehr von seiner Gabe als Redner und Verkäufer ab wie von seinem Talent als Arzt.
    Und viel von diesem Erfolg hing von dem ab, was in der nächsten Stunde geschehen würde.
    »Viel Glück, alter Knabe«, sagte Henry und schüttelte ihm die Hand. Dann schlug ihm sein Freund spielerisch auf die Schulter, und Victor spürte, wie er Henrys Wohlwollen erwiderte. Es war das erste Mal, dämmerte ihm, dass er an diesem Tag gelächelt hatte.
    Henry war größer als Victor und hatte während ihrer gemeinsamen Studienzeit – dank seines guten Aussehens, der dunklen Haare und des schmalen, sorgfältig gestutzten Schnurrbarts – viel Erfolg bei den Frauen gehabt. Victor war in Begleitung von Henry gewesen, als er Elizabeth kennen gelernt hatte, aber zu seinem Erstaunen – und seiner großen Freude – war Elizabeth Henrys Charme gegenüber völlig immun. Sie hatte sich nur für Victor interessiert, und in jener ersten Nacht hatten sie stundenlang geredet.
    Victor war froh, Elizabeth und Henry an seiner Seite zu haben. Sein Herz hämmerte noch immer in seiner Brust, aber er spürte, wie er von ihnen, von ihrem schlichten Glauben an ihn, Mut bezog.
    Trotz der Tatsache, dass er heute ein beträchtliches Risiko einging, registrierte er, wie Selbstvertrauen in ihm hochstieg. Er war tatsächlich auf etwas gestoßen. Seine Theorien mochten revolutionär sein, doch seine Resultate waren unanfechtbar.
    »Es wird Zeit, Victor. Geh und rüttele sie ein wenig auf«, sagte Henry.
    »Viel Glück, Liebling«, fügte Elizabeth hinzu, und Victor wandte sich ab und ging in den Hörsaal. Als Student, in den Jahren seiner medizinischen Ausbildung in Goldstadt, war er tausendmal in diesem Raum gewesen. Er hatte Professor Waldman sogar schon bei den Erst- und Zweitsemestern assistiert.
    Jetzt spürte Victor Schweiß auf der Stirn. Heute war der Hörsaal nicht etwa voller eifriger Studenten, sondern voller Ärzte und Medizinprofessoren – Kollegen, die auf den jüngsten Mann herabschauten, der sich je für das Goldstadt-Forschungsstipendium beworben hatte, das prestigeträchtigste Forschungsstipendium in Rumänien und eines der begehrtesten in ganz Europa. Es beinhaltete recht hohe finanzielle Zuschüsse und außerdem Zugriff auf die beträchtlichen Ressourcen der Universität.
    Victor nahm seinen Platz auf dem Podium ein und wurde sogleich von seinem Mentor, Professor Waldman, herzlich begrüßt. Der Arzt hatte einen dichten Schopf grauer Haare und buschige graue Augenbrauen, deren salzige Farbe sein Alter verriet. Dennoch hielt sich Waldman so kerzengerade, dass er mehr wie ein Militärkadett im ersten Jahr als wie ein Mann aussah, der nur noch wenige Jahre von der Pensionierung entfernt war. In Waldmans Augen blitzte eine wache Intelligenz, die in der Universität legendär war. Jetzt sahen diese Augen Victor warm an.
    Nickend nahm Victor seinen Platz an der Seite des Arztes ein.
    »Und jetzt, verehrte Kollegen, ist es mir ein Vergnügen, Ihnen Dr.
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