Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Mondkind (German Edition)

Das Mondkind (German Edition)

Titel: Das Mondkind (German Edition)
Autoren: Dean Koontz
Vom Netzwerk:
sind furchtbarer, als es irgendein Geist oder Fabelwesen sein könnte.
    Diese Stadt ist – wie vielleicht jede Stadt – ein Ort voller Geheimnisse und Rätsel. Wenn man allein mit seinem Hund Gefilde durchstreift, die von anderen selten aufgesucht werden, erhascht man flüchtige Blicke auf beunruhigende Phänomene und seltsame Wesen, die einen Hinweis darauf geben, dass die Welt Dimensionen besitzt, die durch die Vernunft allein nicht zu erklären sind.
    Der Junge hat manchmal Angst, doch der Hund fürchtet sich nie.
    Keiner von beiden ist jemals einsam. Sie ersetzen einander die Familie, aber nicht nur das. Jeder ist des anderen Erlösung, sein Seelenheil, eine Lampe, die dem anderen den Weg weist.
    Harley ist auf der Straße ausgesetzt worden. Niemand außer dem Jungen liebt diesen Mischlingshund, der zur Hälfte ein Golden Retriever und zur anderen Hälfte eine mysteriöse Promenadenmischung zu sein scheint.
    Crispin wurde nicht ausgesetzt. Er ist geflohen.
    Und man jagt ihn.

2
    Drei Jahre zuvor …
    Crispin ist erst neun Jahre alt und seit zwei Tagen auf der Flucht, da er Ende September mitten in der Nacht von einem Schauplatz unerträglichen Schreckens geflohen ist. Er hat niemanden, an den er sich wenden kann. Diejenigen, die vertrauenswürdig sein sollten, haben sich bereits als teuflisch erwiesen, und es steht fest, dass sie auf seine Vernichtung aus sind.
    Von den elf Dollar, die er zu Beginn seiner Flucht besaß, hat er inzwischen nur noch vier. Den Rest hat er für Essen und Getränke ausgegeben, die er Händlern mit Karren an Straßenecken abgekauft hat.
    In der vorangegangenen Nacht hat er im Statler Park in einem Nest aus dichtem Gestrüpp geschlafen, denn er war zu erschöpft, um von den gelegentlichen Sirenen vorbeifahrender Streifenwagen oder kurz vor Morgengrauen vom Krach der Müllmänner, die die Abfalleimer im Park in ihren Wagen leerten, vollständig wach zu werden.
    Am Montag verbringt er bei Tageslicht zwei oder drei Stunden mit einem Besuch in der Bücherei. Die Bücherregale sind ein Labyrinth, in dem er sich verstecken kann.
    Furcht und Kummer haben ihn derart gepackt, dass er nicht lesen kann. Ab und zu blättert er in großen Reise führern und sieht sich die Hochglanzfotos an, doch er hat ja keine Möglichkeit, an diese fernen sicheren Orte zu gelangen. Die Bilderbücher für Kinder, an denen er früher seinen Spaß hatte, kommen ihm gar nicht mehr lustig vor.
    Eine Weile läuft er am Flussufer entlang und beobachtet ein paar Fischer. Das Wasser ist unter einem blauen Himmel grau, und die Männer erscheinen ihm ebenfalls grau, traurig und lustlos. Die Fische beißen nicht.
    Den größten Teil des Tages schlendert er durch schmale Gassen, wo er es für unwahrscheinlicher hält, dass er denen begegnet, die ihn gewiss suchen. Hinter einem Restaurant fragt ihn eine Küchenhelferin, warum er nicht in der Schule ist. Ihm fällt keine gute Lüge ein, und so läuft er vor ihr davon.
    Der Tag ist so mild wie schon der gestrige und die Nacht, aber plötzlich wird es kühl und dann am späten Nachmittag noch kühler. Er trägt ein kurzärmeliges Hemd, und die Gänsehaut auf seinen Armen könnte auf die kalte Luft zurückzuführen sein oder auch nicht.
    Auf einem unbebauten Grundstück zwischen einem Drugstore und einem Dojo, wo Kampfsportarten trainiert werden, quellen aus der Sammeltonne einer wohltätigen Einrichtung gebrauchte Kleidungsstücke und andere Gegenstände. Crispin wühlt in diesen Spenden und findet einen grauen Wollpullover, der ihm passt.
    Er nimmt auch eine dunkelblaue Strickmütze mit und zieht sie sich tief in die Stirn und bis über die Ohren.
    Vielleicht wird ein neunjähriger Junge, der allein durch die Gegend zieht, durch den Versuch, sich zu tarnen, nur noch mehr Aufmerksamkeit auf sich lenken. Er hat den Verdacht, dass die schlichte Mütze an ihm auffällig wirkt. Er kommt sich wie ein Clown vor. Trotzdem nimmt er sie nicht ab und wirft sie weg.
    Er ist durch so viele schmale Gassen und Lieferantenzufahrten gelaufen, ist über so viele breite Straßen in so viele schummerige Seitenstraßen gerast, dass er sich nicht nur ver laufen, sondern die Orientierung komplett verloren hat. Die Wände von Gebäuden scheinen sich ihm in bedenklichen Winkeln entgegen zu neigen oder über ihm auseinanderzuklaffen. Das Kopfsteinpflaster unter seinen Füßen ähnelt großen Reptilienschuppen, als liefe er über den gepanzerten Rücken eines schlafenden Drachen.
    Die Stadt, die schon
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher