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Das Mondkind (German Edition)

Das Mondkind (German Edition)

Titel: Das Mondkind (German Edition)
Autoren: Dean Koontz
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immer groß war, scheint zu einer gan zen Welt geworden zu sein, so unermesslich wie feindselig.
    Mit der Orientierungslosigkeit geht eine stille Verzweiflung einher, die Crispin zeitweilig dazu bringt zu rennen, obwohl er ganz genau weiß, dass ihm niemand dicht auf den Fersen ist.
    Kurz vor der Abenddämmerung begegnet er auf einer breiten Zufahrt, die zu ehemaligen Speicherhäusern aus Backstein mit Laderampen aus fleckigem Beton führt, dem Hund. In dem schräg einfallenden Licht der untergehenden Sonne wirkt er golden, als er an der Ostseite des Durchgangs entlang auf ihn zukommt.
    Der Hund bleibt vor Crispin stehen und blickt mit zurückgelegtem Kopf zu ihm auf. Im letzten hellen Tageslicht sind die Augen des Tieres so golden wie sein Fell, die Pupillen klein und die Iris schillert.
    Der Junge nimmt keine Bedrohung wahr. Er streckt eine Hand aus und der Hund reibt einen Moment lang seine Schnauze daran.
    Als der Hund weitergeht, zögert der Junge, doch dann schlurft er hinter ihm her. Im Gegensatz zu dem, der ihm folgt, scheint das Tier zu wissen, wohin es geht und warum.
    Gesprungene Betonstufen führen zu einer Laderampe hinauf. Die großen Rolltore sind geschlossen, aber eine schmale Tür erweist sich als unverschlossen und steht sogar einen winzigen Spaltbreit auf.
    Der Hund drückt sie auf. Mit einem eleganten Schwung seiner weißen Rute verschwindet er dahinter.
    Als er die Schwelle in die Dunkelheit überquert, zieht Crispin eine LED -Taschenlampe aus einer Tasche seiner Jeans. Die Taschenlampe lag früher in der Schublade seines Nachttischs. Er hat sie mitgenommen, als er in den ersten Minuten nach Mitternacht aus seinem Zuhause floh.
    So scharf wie eine abgezogene Rasierklinge durchschneidet der weiße Strahl die Finsternis und zeigt einen seit langer Zeit leerstehenden fensterlosen Raum, der groß genug wäre, um als Hangar für Verkehrsflugzeuge zu dienen. Hoch oben befinden sich Dachspeicher und Laufplanken.
    Alles ist mit grauem Staub überzogen. Rost, der so viele Schichten hat wie Blätterteig, löst sich in Flocken von Metalloberflächen.
    Auf dem Betonfußboden verstreut liegen Rattenknöchel chen und die Panzer toter Käfer. Alte Spielkarten mit Schimmelflecken. Hier ein Bube im Profil, dort eine Herzdame und ein Kreuzkönig und da vier Sechsen, die nebeneinander ausgelegt sind. Zigarettenstummel. Zerbrochene Bierflaschen.
    Die Taschenlampe findet eine Spinne, die auf einem durchhängenden Kabel herumkrabbelt, und projiziert ihren vergrößerten Schatten an eine Wand, wo sie hinaufkriecht wie ein Geschöpf aus einem dieser alten Filme über Insekten, die durch radioaktive Strahlung riesengroß geworden sind.
    Ohne die Taschenlampe zu brauchen, findet der Hund seinen Weg um die verteilten Glassplitter herum. An einem Ort mit so vielen starken Gerüchen würden sich die meisten Hunde schnüffelnd von einem Geruch zum anderen bewegen, doch dieser hier hält seinen Kopf hoch erhoben und scheint wachsam.
    Am nördlichen Ende des riesigen Raumes führen drei Türen in drei Büros, jedes mit einem Fenster, das den Blick auf das Innere des Lagerhauses freigibt. Zwei Türen sind geschlossen, die dritte ist angelehnt.
    Hinter dem Spalt zwischen der dritten Tür und dem Türrahmen pulsiert bernsteinfarbenes Licht.
    Crispin bleibt stehen, aber der Hund hält nicht an. Nach kurzem Zögern folgt der Junge dem Tier in den kleinen beleuchteten Raum.
    Zwischen zwei Gruppen von dicken Kerzen – drei links von ihm, drei rechts – sitzt ein Mann, vielleicht Ende zwanzig, mit dem Rücken an der Wand und hat die Beine vor sich ausgestreckt.
    Seine glasigen blauen Augen blicken starr, sehen jedoch nichts. Sein Mund hängt offen, doch er hat seinen Vorrat an Worten ausgeschöpft.
    Neben einer Dreiergruppe von Kerzen liegt ein verrußter Löffel. Neben dem Löffel ein weißes Plastikpäckchen, aus dem ein weißes Pulver rieselt. Auf seinem Schoß liegt eine entleerte Injektionsspritze.
    Der rechte Ärmel seines karierten Hemds ist bis über die Ellenbeuge hochgerollt, wo vor einer Weile aus einem Einstich Blut gesickert ist. Offenbar hatte er Schwierigkeiten, die Ader zu finden.
    Crispin fürchtet sich nicht vor der Gegenwart eines Toten. Er hat kürzlich viel Schlimmeres mit angesehen.
    Mit einer Zielstrebigkeit, die typischer für einen Menschen wäre als für einen Hund, geht das Tier auf einen Rucksack zu, der hinter den Kerzen liegt, nimmt einen der Riemen zwischen seine Zähne und zerrt ihn von dem Leichnam
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