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Das Mondkind (German Edition)

Das Mondkind (German Edition)

Titel: Das Mondkind (German Edition)
Autoren: Dean Koontz
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und funkeln wie Pailletten. Er trägt an verschiedenen Fingern insgesamt sechs Smaragdringe, die alle ebenso grün sind – aber keiner funkelt so sehr wie seine Augen.
    »Wie heißt dein Hund?«, fragt der alte Mann.
    »Er hat noch keinen Namen.«
    »Lass ein Tier nie zu lange namenlos«, erklärt ihm der alte Mann. »Wenn es keinen Namen hat, ist es nicht geschützt.«
    »Geschützt wogegen?«
    »Gegen jeden bösen Geist, der beschließen könnte, sich seiner zu bemächtigen«, erwidert der alte Mann. Er lächelt und zwinkert, doch etwas in seinen fröhlichen Augen verrät, dass er nicht scherzt. »Wir schließen in fünfzehn Minuten«, fügt er hinzu. »Kann ich dir dabei helfen, etwas zu finden?«
    Ein paar Minuten später, als Crispin das Kartenspiel bezahlt, steigt eine weißhaarige Frau die Kellertreppe hinauf und kommt mit einer großen, aber anscheinend nicht schwe ren Kiste Waren durch eine offene Tür. Ihr Lächeln ist so warmherzig wie das des Ladenbesitzers, der vielleicht ihr Ehemann ist.
    Als sie den Hund sieht, bleibt sie stehen, legt den Kopf zur Seite und sagt: »Mein Junge, dein vierbeiniger Freund hat eine Aura, an der sich kein frommer Erzbischof messen könnte.«
    Crispin hat keine Ahnung, was das bedeutet. Aber er bedankt sich schüchtern bei ihr.
    Während die Frau damit beschäftigt ist, eine Vitrine mit Zauberartikeln aufzufüllen und der alte Mann einem anderen Kunden ein dreidimensionales Puzzle erklärt, entschließt sich Crispin zu einer kühnen Tat, die ihn selbst überrascht. Mit dem Hund geht er, unbemerkt von den Ladenbesitzern, auf die offene Tür zu und die Treppe in den Keller hinunter.
    Unten befindet sich ein Lagerraum mit Reihen von freistehenden Metallregalen, die mit Waren vollgestopft sind. Dort gibt es auch ein kleines Bad mit einem Waschbecken und einer Toilette.
    Der Junge und der Hund suchen hinter der letzten Regalreihe Schutz. Hier kann man sie von der Treppe aus nicht sehen.
    Crispin macht sich keine Sorgen, der Hund könnte bellen und ihre Anwesenheit verraten. Er weiß bereits, dass er und dieses Tier auf eine geheimnisvolle Weise aufeinander eingespielt sind. Er löst die Leine vom Halsband, rollt sie zusammen und legt sie beiseite.
    Nach einer Weile werden vom oberen Treppenabsatz aus die Lichter ausgeschaltet. Die Tür dort oben schließt sich. Ein paar Minuten lang hallen Schritte über ihnen, aber schon bald ist alles still.
    Sie warten im Dunkeln, bis sie sicher sein können, dass der Laden für die Nacht geschlossen ist. Schließlich machen sie sich auf den Rückweg durch den Lagerraum und an den Metallregalen entlang zum unteren Ende der Treppe.
    Crispin ist blind, aber der Hund vielleicht nicht. Der Junge tastet am unteren Ende der Treppe nach dem Lichtschalter. Der Hund, der auf seinen Hinterbeinen steht, findet ihn zuerst, und die Deckenbeleuchtung geht an.
    In einem Regal entdeckt Crispin einen Stapel gesteppter blauer Umzugsdecken. Aus ihnen macht er sich in einer Ecke auf dem Boden ein Bett.
    Während Crispin die Gummiringe von den Geldbündeln streift und die geglätteten Scheine nach ihrem Wert in drei Stapel sortiert, verfüttert er ein paar von den Keksen, die er in der Tierhandlung gekauft hat, an den Hund.
    Gemeinsam zählen sie ihr Vermögen. Crispin verkündet die Gesamtsumme – »Sechstausendsiebenhundertfünfundvierzig Dollar« – und der Hund scheint mit seinen Berechnungen einverstanden zu sein. Er rollt das Geld wieder zu festen Bündeln zusammen und packt die Scheine in die Stoffbeutel.
    Sie werden nicht verhungern. Mit so viel Geld werden sie in der Lage sein, sich lange Zeit zu verbergen und jede Nacht einen anderen Unterschlupf zu finden.
    Erschöpft lässt sich der Junge auf den Deckenstapel zurücksinken. Der Hund rollt sich neben ihm zusammen, den Kopf auf dem Bauch des Jungen.
    Crispin krault den Hund zart hinter den Ohren.
    Bevor der Schlaf ihn übermannt , denkt der Junge an den toten Rauschgiftsüchtigen mit dem weit offenen Mund und den gelben Zähnen im Kerzenlicht. Er erschauert, aber schließlich kapituliert er vor seiner Ermattung.
    Im Traum liegt Crispins jüngerer Bruder auf einem länglichen Tisch aus weißem Marmor. Seine Hände und Füße sind an Stahlringe gekettet. Ein harter grüner Apfel ist in seinen Mund gezwängt und dehnt schmerzhaft seine Kiefer. Der Apfel wird von einem elastischen Riemen, der auf dem Hinterkopf des Jungen festgezurrt ist, an Ort und Stelle gehalten. Seine Zähne stecken tief in der Frucht,
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