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Das Mondkind (German Edition)

Das Mondkind (German Edition)

Titel: Das Mondkind (German Edition)
Autoren: Dean Koontz
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aber er kann sie nicht durchbeißen und die Teile ausspucken.
    Der erhobene Dolch hat eine bemerkenswerte geflammte Klinge.
    Wie eine schimmernde Flüssigkeit tröpfelt Licht an der Schneide hinab.
    Die Muskelstränge im Hals von Crispins Bruder sind angespannt. Die Arterien schwellen und pochen, während sein Herz gewaltige Blutströme durch seinen Körper jagt.
    Der Apfel erstickt seine Schreie. Er scheint sich aber auch an seinem eigenen Speichelfluss zu verschlucken.
    Crispin erwacht schweißgebadet und ruft den Namen seines Bruders: » Harley! «
    Im ersten Moment weiß er nicht, wo er ist. Aber dann wird ihm klar, dass er sich unter dem Geschäft für Zauberbedarf und Spiele befindet.
    Du kannst das Geschehene ungeschehen machen und sie immer noch retten.
    Diese Worte raunen durch seinen Kopf, doch sie erscheinen ihm als bloßes Wunschdenken.
    Als das Grauen nachlässt, weiß er, dass er den perfekten Namen für den Hund gefunden hat. Es ist ein Name, der das Tier gegen jeden böswilligen Geist schützen wird, den es danach verlangen könnte, in es einzudringen.
    »Harley«, wiederholt Crispin leise. Er nennt den Hund nach seinem verlorenen Bruder. »Harley.«
    Der Hund leckt zart, aber beharrlich, seine Hand.

3
    All die Jahre später …
    Die Nacht ist kühl, der Himmel unergründlich, und die Sterne strahlen so scharf wie Stilettspitzen.
    Mit zwölf ist Crispin kräftig und zwangsläufig so abgehärtet, wie es eigentlich kein Junge in seinem Alter sein sollte. Seine Sinne sind geschärft und das gilt auch für seine Intuition, als hätte er sich durch seinen täglichen Umgang mit dem vierbeinigen Harley einen Teil des hochentwickelten Wahrnehmungsvermögens des Hundes angeeignet.
    In dieser Oktobernacht wimmelt es auf den Straßen von Kobolden und Hexen, Vampiren und Zombies, sexy herausgeputzten Zigeunerinnen und Superhelden. Manche verbergen sich hinter Masken, die wie bestimmte verhasste Politiker aussehen, wie anzügliche Schweine, rotäugige Ziegen oder Schlangen mit gespaltener Zunge.
    Diese Leute sind auf dem Weg zu Partys in zwielichtigen Salons, in bescheidenen Arbeiterkneipen und in den Ballsälen älterer Hotels, die in dieser Wirtschaftslage, die sich schon seit über drei Jahren gruselig gestaltet, einen einträglichen Abend dringend nötig haben.
    In diesem Bezirk der unteren Mittelschicht fühlt sich Crispin sicher genug, um durch die Straßen zu schlendern, in Ruhe zu beobachten, was sich tut, und sich an den Kostümen, dem hektischen Treiben und den Dekorationen zu erfreuen. Halloween ist rasch zu einem der größten Festtage des Jahres avanciert.
    Die Menschen, die er fürchtet, stammen nicht aus diesem Stadtteil. Es ist unwahrscheinlich, dass sie für irgendein Fest in diese Straßen hinabsteigen. Ihr Geschmack ist kostspieliger und exotischer als alles, was hier geboten wäre.
    Seit seiner letzten Begegnung mit ihnen sind drei Monate vergangen. Sie hätten ihn beinah in einer ehemaligen Grund schule erwischt, die nur noch auf ihren Abriss wartete.
    Zu dem Zeitpunkt war es sein Fehler, zu viele Nächte am selben Ort zu verbringen. Wenn er in Bewegung bleibt, haben sie es schwerer, ihn aufzuspüren.
    Crispin weiß nicht, warum er sich ohne ständige Ortsveränderung in Gefahr bringt. Es ist, als konzentriere sich seine Witterung, sowie er sich eine Weile am selben Ort herumtreibt.
    Er kennt die Legende von Ahasver, dem Ewigen Juden, der Christus am Tag der Kreuzigung schlug und dazu verdammt wurde, für alle Zeiten rastlos die Welt zu durchstreifen. Manche behaupten, diese Verurteilung sei in Wirklichkeit ein Straferlass gewesen, denn einen Mann, dessen Gewissensbisse ihn dazu treiben, auf der Suche nach Abso lution unaufhörlich umherzuwandern, kann der Teufel nicht finden und holen.
    Außer seinem braven Hund ist Crispins ständiger Begleiter die Reue. Er hat Gewissensbisse, weil er seinen Bruder nicht retten konnte. Weil er seine kleine Schwester nicht retten konnte. Weil er so lange blind für die Wahrheit über ihren Stiefvater und den heimtückischen Verrat ihrer lieblosen Mutter war.
    Jetzt kommen er und Harley an einem zweistöckigen Gebäude aus gelbbraunem Backstein vorbei, in dem die Ortsgruppe der Kriegsveteranen untergebracht ist. Der gedämpfte Backbeat einer Band, die einen Beatles-Song spielt, scheint das Bauwerk beben und anschwellen zu lassen, als könne man diese Art von Rock’n’Roll nicht ohne Explosionsgefahr einengen.
    Eine Woge von Gelächter, Plaudereien und
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