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Das Mörderschiff

Das Mörderschiff

Titel: Das Mörderschiff
Autoren: Alistair MacLean
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Kabine eine scharfe Silhouette abgab. Wahrscheinlich hatte der Mann hinter dem Tisch seine linke Hand an der Lampe, er konnte sie jeden Moment verstellen, um mich in Sekundenschnelle zu blenden. Und dann noch die Waffe! Ich wurde dafür bezahlt, etwas zu riskieren, ich wurde sogar dafür bezahlt, mich gelegentlich in Gefahr zu begeben. Aber ich wurde nicht dafür bezahlt, die Rolle eines todessüchtigen Narren zu spielen. Ich hielt meine Hände ein paar Zentimeter höher und versuchte so friedlich und harmlos wie möglich auszusehen. So wie ich mich gerade fühlte, war das kein Kunststück.
    Der Mann mit der Waffe sagte und tat nichts. Er verhielt sich völlig ruhig. Jetzt sah ich seine weißen Zähne schimmern. Die glänzenden Augen starrten mich ohne zu blinzeln an. Das Lächeln, der leicht zur Seite geneigte Kopf, die lässige Haltung des Körpers, erweckten in der winzigen Kabine ein Gefühl äußerster Bedrohung. In der Unbeweglichkeit und Ruhe des Mannes lag etwas Schreckliches, etwas beängstigend Unnatürliches. Sein kaltblütiges Katz-und-Maus-Spiel schien bösartig zu sein und Unheil zu verkünden. In dieser engen Kabine schien der Tod nur darauf zu warten, mit eisigem Zeigefinger seine Opfer zu berühren. Trotz zweier schottischer Großeltern bin ich keineswegs parapsychologisch veranlagt oder mit dem Zweiten Gesicht begabt. Was das betrifft, so sind meine Wahrnehmungen äußerst realistisch, und ich reagiere auf diese Dinge ungefähr so wie ein Klumpen alten Eisens. Aber hier konnte ich den Tod riechen.
    »Ich glaube, wir machen beide einen Fehler«, sagte ich, »Sie machen ihn bestimmt. Es könnte doch sein, daß wir beide zum gleichen Haufen gehören.« Da meine Kehle plötzlich trocken geworden war und die Zunge nichts dazu beitrug, die Klarheit der Aussprache zu unterstützen, kamen die Worte nur schwer heraus. Für mich hörten sie sich richtig an, genauso wie ich es wollte, leise, gleichmäßig und beruhigend. Vielleicht war er ein Irrer. Man mußte ihn bei guter Stimmung halten, ganz egal wie, nur um am Leben zu bleiben. Ich nickte und sah auf den Hocker, der an einer Ecke seines Tisches stand. »Es war ein schwerer Tag. Ist es Ihnen recht, wenn ich mich setze und rede? Ich verspreche Ihnen auch, daß ich meine Hände oben halte.«
    Die Reaktion, die ich erhielt, war gleich Null. Die Augen schienen weiß und hatten einen verächtlichen Schimmer, und die stählerne Waffe blieb in der stählernen Hand. Ich fühlte, wie sich meine eigenen Hände zu Fäusten ballten und öffnete sie hastig wieder, aber ich konnte nichts gegen den Ärger tun, der in mir aufzusteigen begann.
    Ich lächelte und hoffte, daß es ein freundliches und beruhigendes Lächeln war, während ich langsam auf den Hocker zuging. Die ganze Zeit hindurch sah ich ihn an, und durch das krampfhaft freundliche Lachen fingen meine Gesichtsmuskeln zu schmerzen an. Die Hände hielt ich noch höher als vorher. Ein ›Peacemaker‹-Colt kann einen Stier auf sechzig Meter Entfernung töten, Gott allein nur weiß, was er mir antun konnte. Ich versuchte nicht daran zu denken. Schließlich habe ich nur zwei Beine und bin beiden sehr zugetan.
    Ich schaffte es, und beide Beine waren noch da. Ich setzte mich, die Hände noch immer hoch erhoben, und atmete wieder. Ich hatte, ohne mir dessen bewußt zu sein, den Atem angehalten, was verständlich genug ist, da mich andere Dinge bedrückten, wie zum Beispiel der Gedanke an Krücken, Verbluten und ähnliches, der einen in einer solchen Situation beschäftigt.
    Der Colt war noch immer so bewegungslos wie vorher. Der Lauf war mir nicht gefolgt, während ich durch die Kabine ging. Er zeigte noch immer auf die Stelle, wo ich vor zehn Sekunden gestanden hatte.
    Ich bewegte mich jetzt schnell auf die Hand mit der Waffe zu, ohne dabei überstürzt zu handeln. Jetzt war ich sogar sicher, daß ich mich nicht mehr schnell bewegen mußte. Aber ich habe noch nicht das reife Alter erreicht, wo mein Chef glaubt, daß er mir damit eine Ehre erweist, wenn er mir die die schmutzigsten Jobs gibt, in denen man alles riskieren muß.
    Ich ernähre mich richtig und befinde mich durch viel Training in einer so guten körperlichen Verfassung, daß – obwohl mich keine Versicherungsgesellschaft der Welt aufnehmen würde – mir die Ärzte jederzeit ein gutes Zeugnis ausstellen würden. Trotzdem war ich nicht in der Lage, die Waffe aus der starren Hand zu lösen. Die Hand, die wie Marmor aussah, fühlte sich auch wie Marmor an,
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