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Das Meeresfeuer

Das Meeresfeuer

Titel: Das Meeresfeuer
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Serena. »Vor einer Woche.
«
»Aber wie kann man etwas sehen, was an einem anderen Ort
–« fuhr Ben fort, aber Trautman unterbrach ihn sofort und in so
scharfem Ton, daß Ben zusammenfuhr:
»Das ist jetzt wirklich nicht wichtig, Ben!« Er wandte sich
wieder an Serena. »Ist das alles, was du darüber weißt?«
»Das sind alle Bilder, die ich euch zeigen kann«, antwortete
Serena. »Drei Tage später hat ein Schiff, das genauso aussieht
wie das, das wir gerade gesehen haben, einen französischen
Frachter vor der Küste von Schottland versenkt. Und gestern
wurde der SOS-Ruf eines deutschen Zerstörers aufgefangen, der
von einem unbekannten Angreifer berichtete. « Sie zuckte mit
den Schultern, drehte sich wieder zu dem Instrumentenpult
herum und begann mit den Fingerspitzen über die Glasscheibe
zu fahren, die ihnen gerade diese furchtbaren Bilder gezeigt
hatte. »Wahrscheinlich ist das noch lange nicht alles, aber im
Moment herrscht im Äther ein solches Chaos, daß man nicht
genau sagen kann, wer gerade wen vernichtet. « Sie warf Mike
einen Blick zu. »Und ihr glaubt, mein Volk wäre seltsam
gewesen?«
Mike zog es vor, nichts dazu zu sagen, aber Ben antwortete in
einem Ton, als müsse er sich verteidigen: »Was erwartest du?
Es herrscht Krieg. Ich finde das auch nicht gut, aber –«
»Ben!« Trautman unterbrach das Gespräch mit einer
befehlenden Handbewegung. »Das reicht!« Ben funkelte ihn
herausfordernd an, aber Trautman schien nicht geneigt, sich auf
eines der zwischen ihnen beinahe schon üblichen Wortduelle
einzulassen. Er bedachte den jungen Engländer nur mit einem
letzten, strafenden Blick und wandte sich dann wieder an
Serena. »Kannst du mir die Punkte auf der Karte zeigen, an denen die LEOPOLD gesichtet wurde?« »Ich denke schon... «,
antwortete Serena zögernd, »... wenigstens ungefähr. «
Während die beiden zu dem großen Tisch unter dem Fenster
gingen, auf dem sich ein unglaubliches Sammelsurium von
Seekarten, nautischen Tabellen, Atlanten und Büchern stapelte,
trat Ben wieder an den Apparat heran, der ihnen gerade die
schrecklichen Bilder vom Überfall der LEOPOLD auf die
Hafenstadt gezeigt hatte. Mike fiel ein, daß sie nicht einmal
wußten, um welche Stadt es sich handelte; geschweige denn,
um welches Land. In dem kurzen Moment, in dem der Zerstörer
im Bild gewesen war, bevor ihn die erste Breitseite der
LEOPOLD traf und in ein flammenspeiendes Wrack
verwandelte, hatte er geglaubt, die Insignien der deutschen
Kriegsmarine zu erkennen. Aber ganz sicher war er nicht.
Wahrscheinlich hatte er sich getäuscht – Winterfeld mochte ein
Pirat und Meuterer sein, aber er war trotzdem ein Deutscher. Es
war schwer vorstellbar, daß er sich mitsamt seinem Schiff auf
die Seite der Kriegsgegner des Deutschen Reiches geschlagen
hatte. Was immer sie alle von Winterfeld halten mochten – ein Verräter war er nicht.
»Unglaublich. Das... das ist das Phantastischste, was ich
jemals gesehen habe!« Bens Stimme riß Mike für einen
Moment aus seinen Gedanken. Er hatte ein bißchen Mühe,
seinen Worten zu folgen, und man mußte das seinem Gesicht
wohl ziemlich deutlich ansehen, denn Ben deutete heftig
gestikulierend auf den Bildapparat und fuhr in aufgeregtem Ton
fort: »Das Ding da meine ich. So etwas... hätte ich nicht für
möglich gehalten! Ich frage mich, was für Überraschungen
dieses Schiff noch für uns bereithält!«
Mike zuckte nur mit den Schultern. Er war von dem, was sie
gerade gesehen hatten, noch immer zutiefst erschüttert, und es
irritierte ihn ein wenig, daß Ben sich so gar nicht davon
beeindruckt zeigte, sondern vielmehr wieder seiner
Begeisterung für die technischen Gerätschaften der NAUTILUS
frönte. Aber irgendwie konnte er ihn auch verstehen.
Es war jetzt etwa anderthalb Jahre her, daß sie auf einer
einsamen, auf keiner Karte verzeichneten Insel auf die
legendäre NAUTILUS gestoßen waren, die leibhaftige, echte
NAUTILUS, das Schiff des sagenumwobenen Kapitän Nemo,
von dem sogar Mike bis zu diesem Zeitpunkt annahm, daß er
gar nicht wirklich existiert hatte, sondern nur eine Sagengestalt
war. Aber Kapitän Nemo war keine Sagengestalt. Kapitän
Nemo – der eigentlich Prinz Dakkar hieß und ein indischer
Edelmann gewesen war – war niemand anderer als Mikes Vater.
Er hatte seinen Sohn unter einem falschen Namen und dem
Schutz einer falschen Identität in einem vornehmen Londoner
Internat untergebracht, um ihn vor den Nachstellungen seiner
Feinde zu schützen,
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