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Das Meeresfeuer

Das Meeresfeuer

Titel: Das Meeresfeuer
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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den Meeresboden herabfiel. Das
Schiff war explodiert, aber zu früh. Vielleicht durch einen
Zufall, vielleicht durch einen Fehler, den Winterfelds
Ingenieure bei der Konstruktion der Zünder begangen hatten,
vielleicht sogar ausgelöst durch die Druckwelle, die die
Torpedorohre der NAUTILUS hervorgerufen hatten. Es spielte
keine Rolle. Die LEOPOLD war explodiert, lange bevor sie den
Meeresgrund und damit die dünne Basaltdecke über der
Lavaader erreichen konnte, und Winterfelds Plan war
fehlgeschlagen. Die große Katastrophe, die er hatte heraufbeschwören wollen, würde nicht eintreten. Mike arbeitete
sich mühsam in die Höhe, bückte sich zu Serena und überzeugte
sich davon, daß auch sie unverletzt war, dann wandte er sich zu
Trautman und den anderen um. Die meisten hockten noch mit
benommenen Gesichtern am Boden und schienen ein bißchen
erstaunt zu sein, daß sie überhaupt noch lebten, aber Trautman
stand bereits wieder an den Kontrollinstrumenten, und Mike
konnte hören, wie sich das Geräusch der Motoren erneut
veränderte. Irgend etwas stimmte nicht.
Auf Trautmans Gesicht hatte sich ein Ausdruck der Erleichterung breitgemacht, aber nur für wenige Sekunden.
Plötzlich war der Schreck wieder da, ebensogroß wie zuvor.
Seine Finger huschten immer hektischer über die
Kontrollinstrumente. »Was... was ist los?« fragte Mike. »Die
Strömung«, antwortete Trautman gepreßt. »Ich komme nicht
los. Die Strömung hat uns ergriffen. « Mike sah ihn
sekundenlang wortlos an, dann drehte er sich wieder zum
Fenster und blickte hinaus. Er erblickte nichts als Schwärze.
Der Meeresboden war abermals verschwunden, aber Mike
wußte auch, daß er jetzt im Grunde schon über ihnen lag. Die
tödliche Strömung hatte die NAUTILUS erfaßt – und es war
genau so, wie er Winterfeld gegenüber behauptet hatte: Nicht
einmal die gewaltige Kraft der NAUTILUS reichte aus, diesen Gewalten zu widerstehen. »Hält das Schiff den Druck aus?«
fragte Stanley.
»Ich glaube schon«, antwortete Trautman. »Wir waren schon
tiefer, ohne daß etwas passiert wäre. Aber ich komme nicht frei.
Die Strömung ist einfach zu stark. «
Stanley antwortete irgend etwas, aber Mike hörte gar nicht
mehr hin. Er blickte in die brodelnde Schwärze vor dem Fenster
hinaus. Serena trat erneut neben ihn, aber als sie diesmal nach
seinen Fingern greifen wollte, hob er die Hand und legte den
Arm um ihre Schulter, und als er ihre warme Berührung spürte,
durchströmte ihn ein Gefühl von Sicherheit und Trost, das die
Furcht vor dem, was er sah, auslöschte.
»Was geschieht jetzt?« fragte Serena leise.
Mike wußte es nicht. »Ich weiß es nicht«, sagte er leise.
»Wohin immer dieser Mahlstrom führt, wir werden mitgerissen.
Aber keine Angst. Wir werden es schaffen. Ich bin ganz
sicher.«
Serena sah ihn zweifelnd an, und zu seiner eigenen
Überraschung spürte Mike plötzlich, wie ein zuversichtliches
Gefühl in ihm aufstieg. Es waren nicht nur leere Worte. Sie
wußten weder, wohin sie dieser Fluß unter dem Meer trug,
noch, was sie dort erwartete, aber er war plötzlich vollkommen
sicher, daß am Ende alles gut werden würde. Und er hatte
immer noch keine Angst.
Jetzt nicht mehr und vielleicht überhaupt nie wieder im
Leben. Sie hatten die Welt vor einer unvorstellbaren
Katastrophe gerettet, und das allein zählte – auch wenn es außer
ihnen nie irgend jemand erfahren würde.
Es vergingen noch einige Sekunden, dann schaltete Trautman
die Motoren ab, deren Kraft ohnehin wirkungslos verpuffte, und
Mike und alle anderen konnten spüren, wie die Strömung
endgültig nach dem Schiff griff und es immer schneller und
schneller mit sich zu reißen begann, hinab in die Tiefen einer
Welt, die zwar Teil ihrer eigenen und trotzdem so fremd und
phantastisch war, daß seine Vorstellungskraft nicht einmal
ausreichte, sich vorzustellen, was sie erwarten mochte. Aber
was immer es auch war – er hatte keine Angst davor. Und
wovor, dachte Mike, sollte er sich auch fürchten? Er war nicht
allein, und bei ihm waren die besten und treuesten Verbündeten,
die sich ein Mensch nur wünschen konnte: seine Freunde.
* siehe Band 3 »Die Herren der Tiefe«
* siehe Band 4 »Im Tal der Giganten«
     
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