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Das Meer wird dein Leichentuch

Das Meer wird dein Leichentuch

Titel: Das Meer wird dein Leichentuch
Autoren: Melanie Maine
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    Die Stimme eines Mannes, die meinen Namen rief, unterbrach unser Gespräch. Ich sah mich um und erkannte Andrew Hopkins, der für Mister Astor Kammerdiener, Privatsekretär und Vertrauter in einer Person war. Ungeduldig winkte mir der hochgewachsene Amerikaner in seinem dezenten Anzug mit der dunkelblauen Krawatte zu.
     
    Was für ein Glück, dass Mister Hopkins nicht in dem Augenblick erschienen war, als ich in den Armen des Marquis lag. Nicht auszudenken, was geschehen würde, wenn meine Dienstherrschaften etwas von diesem Zwischenfall erfuhren.
     
    „Die Herrschaften befinden sich auf dem Promenadendeck, um zu sehen, wie das Schiff die französische Küste verlässt!“, rief Mister Hopkins aufgeregt. „Sie müssen sofort kommen, um das Gepäck der Astors zu verstauen.“
     
    Verflixt. Während ich mit Damian de Armand plauderte, hatte ich fast meine Pflichten vergessen. Der geheimnisvolle Marquis schenkte mir ein verständnisvolles Lächeln, als ich mich überstürzt verabschiedete.
     
    „Au revoir, Monsieur le Marquis.“ presste ich hervor und griff nach meinem Gepäck.
     
    „Ich hoffe, bei unserer nächsten Begegnung den Namen Damian von Ihren Lippen zu hören, Danielle“, sagte er so leise, das nur ich es hören konnte.
     
    „Wenn Sie es wünschen ... von Herzen gern, Damian.“ gab ich ebenso leise zurück. „Aber jetzt müssen Sie mich entschuldigen. Meine Verpflichtungen ...!“Ich sah, dass Andrew Hopkins wieder aufgeregt winkte.
    „Auf Wiedersehen, Danielle!“ Noch ein tiefer Blick in meine Augen, eine dezente Verbeugung und ein kurzes Lüften des Zylinders, dann wandte sich Damian de Armand ab, bevor ich noch etwas sagen konnte.
     
    Andres Hopkins nahm mir die schwere Reisetasche ab, damit wir schneller vorankamen. So hatte ich nur noch meine leichte Hutschachtel. Mit raschen Schritten eilten wir durch die Gänge zum Treppenhaus, das zu den Luxus-Suiten der Millionäre führte. Astors Sekretär drängte zur Eile.
     
    „Wenn die Astors in ihre Suite kommen und die Koffer sind noch nicht ausgepackt, wird der Colonel sehr zornig.“ Mr. Hopkins bezeichnete Mister Astor immer mit dem militärischen Rang, den er anlässlich des Krieges der USA gegen die Spanier um die Insel Kuba im Jahr 1898 erhielt, damals hatte Astor von seinem Vermögen eine Batterie Geschütze gekauft und der US-Armee für den Kampf zur Verfügung gestellt. Deshalb wurde Mister Astor von Präsident Mc Kinley anstelle einer Bezahlung der Kanonen mit dem klangvollen Titel eines Obersten ausgezeichnet. Und die Bezeichnung Colonel hörte er lieber als das allgemein übliche „Mister“.
     
    Ich beeilte mich, Andrew Hopkins durch die unendlich erscheinenden Korridore und das Treppenhaus hinauf zum Promenaden-Deck zu folgen. Hier lagen die Suiten der ersten Passagiere. Die Räume der Astors befanden sich unmittelbar neben der Suite von Bruce Ismay, dem Präsidenten der „White-Star-Line“. Er war in gewissem Sinne Eigentümer der Titanic und wurde deshalb bevorzugt untergebracht. Ismay war ein typischer englischer Gentleman. Sir Bruce reiste auf dieser Fahrt allein und war allen Menschen gegenüber stets höflich und zuvorkommend. Doch in seinen Augen war zu lesen, dass ihn große Sorgen quälten.
     
    Die Kosten für den Bau der Titanic waren höher, als kalkuliert. In den Zeitungen stand zu lesen, dass die White-Star-Line vor dem Bankrott stand. Doch es stimmt nicht, dass Bruce Ismay den Kapitän zwang, das Schiff mit voller Geschwindigkeit durch das Eisfeld zu jagen. Eine Rekordfahrt über den Atlantik war mit der Titanic unmöglich. Sie war das größte Luxus-Schiff der damaligen Zeit. Aber sie war einfach nicht schnell genug, als dass sie das Blaue Band hätte erringen können.
     
    Die beiden Räume der Astor-Suite waren zwar nicht sonderlich groß, aber mit allem erdenklichen Luxus der damaligen Zeit ausgestattet. Die Täfelung der Decken und die Stuckverzierungen an den Wänden waren aus edelstem Mahagoni-Holz. An den Wänden befanden sich fein gemusterte Tapeten aus rotgoldenem Seidenstoff. Durch die mit schwerer Messingverschalung eingerahmten Bullaugen drang das helle Tageslicht ins Innere von Wohnraum und Schlafzimmer.
     
    Auch die kunstvoll gearbeiteten Möbel der beiden Räume waren aus Mahagoni gefertigt. Die schweren Polstersessel besaßen einen Überzug aus weinrotem Samt. Zu dem Schlafraum mit dem breiten Doppelbett und dem Aufenthaltsraum gehörte ein Badezimmer mit allem erdenklichen Komfort.
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