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Das Meer wird dein Leichentuch

Das Meer wird dein Leichentuch

Titel: Das Meer wird dein Leichentuch
Autoren: Melanie Maine
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ist als der Geringste seiner Mitmenschen!“, sagte der Marquis mit rätselhaftem Ernst in der Stimme. „Denn er wird geboren ohne jeden Besitz. Und er vermag nichts von allen Reichtümern mitzunehmen, wenn er seine letzte Reise beginnt.
     
    Ob ein Mensch arm oder reich ist - am Ende muss er doch sterben. Der Tod, Mademoiselle Bidois, macht alle Menschen gleich.“
     
    „Aber im Leben gibt es gesellschaftliche Unterschiede, die wir respektieren müssen!“ wagte ich zu entgegnen. Dass ein Mann seines Standes solche Worte sagen würde, hatte ich nie erwartet. Ganz sicher war er einer der Philosophen, die sich in den feinen Salons von Paris trafen und stundenlang über die Ethik des Menschen und den Sinn des Lebens diskutierten.
     
    „Die Gesellschaft des Todes löscht alle Standesunterschiede aus. Vor dem Nehmer des Lebens ist John Jacob Astor mit all seinem Reichtum so viel wert wie ein Bettler.“ Die Stimme des Fremden bekam einen Klang wie zerbrechendes Glas.
    „Dennoch bitte ich Sie, unser Gespräch in Gegenwart meiner Herrschaften nicht zu erwähnen, Monsieur le Marquis“, bat ich. „Mag auch der Tod Mister Astor und mich einmal gleichmachen. Heute aber achtet sehr darauf, dass die Kluft zwischen den Herren und den Dienenden gewahrt bleibt.“
     
    „Keine Sorge. Ich werde Astor nichts erzählen“ Der Marquis lachte leise. „Aber vielleicht können Sie mir helfen, mit ihm in Kontakt zu kommen?“
     
    „Wenn sich eine Gelegenheit ergibt, werde ich ihm mitteilen, dass ihn der Marquis de Armand zu sprechen wünscht. Darf ich ihm mitteilen, in welcher Angelegenheit?“ Diese verflixte, weibliche Neugier. Nun war es heraus.
     
    „Es ist eigentlich rein geschäftlich.“ wich der Marquis aus. „Ich will etwas kaufen, was er auf dieser Reise bei sich führt. Und wenn er es mir überlässt, besteht vielleicht noch Hoffnung ...“ Er brach ab. „Werden Sie mir helfen?“, fragte er dann noch einmal.
     
    „Aber sicher. Ich werde Ihnen gern zu Diensten sein, Monsieur le Marquis“, beeilte ich mich zu versichern. „Aber Mister Astor ist ein vielbeschäftigter Mann. Vielleicht wäre es hilfreich, wenn ich ihm bereits andeuten könnte, welches Kaufobjekt Sie im Auge haben.“
     
    „Den Stein des Schicksals. Den blauen Diamanten !“ Die Stimme Damian de Armands sank zu einem Flüstern herab ...
     
                                                                                                      ***
     
    Ein unheimliches Geräusch, das in diesem Augenblick aus der Tiefe aus dem stählernen Körper des Schiffes herauf drang, übertönte meine Antwort. Es war, als habe die Erwähnung des geheimnisvollen Blauen Diamanten einen Zauber ausgelöst.
     
    „Das Schiff schreit“, flüsterte der Marquis so leise, dass nur ich es hören konnte. „Die Titanic klagt um die Seelen der Unglücklichen, über denen das Verderben schwebt.“
     
    Ich hätte am liebsten vor Schrecken laut aufgeschrien, als ich den unheimlichen Ton aus der Tiefe hörte. Das metallische Stöhnen und Knarren klang wie das schmerzgepeinigte Schluchzen der armen Seelen im Fegefeuer. Mir war es, als glitte feines Schmirgelpapier über meine Haut.
     
    Die Gestalt des Marquis bebte, als habe eine glühende Nadel seinen Körper durchbohrt. Seine Gesichtszüge wurden durch einen Hauch unsäglicher Trauer überschattet. Aller Welten Jammer schien in seinen Augen zu liegen, während das unheimliche Geräusch aus der Tiefe des Schiffes langsam abebbte.
     
    „Haben Sie es gehört, Danielle?“, fragte er mit schwermütiger Stimme. „ Die Titanic hat geweint ! Sie ahnt ihr Verhängnis.“
     
    „Sie machen mir Angst, Marquis. Ihre Worte sind so dunkel.“ Unwillkürlich begann ich zu zittern. Die Vorahnung kommenden Unheils ließ mich erbeben. Fast wäre ich zu Boden gesunken, als mich ein erneuter Schwächeanfall übermannte. Doch da war Damian de Armand, der mich auffing.
     
    Es war ein eigenartiges Gefühl der Geborgenheit, als er mich in den Armen hielt und stützte. Trotz der Gefühlsregung, die er eben bei dem unheimlichen Geräusch gezeigt hatte, war sein Körper völlig ruhig. Leicht strich seine Hand über die braune Lockenpracht meines Haares. Doch diese Berührung ließ neue Ängste in mir aufsteigen.
     
    In der Hand war kein Hauch von Wärme. Sie war eiskalt wie die Hand eines Toten. Und sie zuckte sofort zurück, als sie spürte, wie ich
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