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Das Meer in deinen Augen

Das Meer in deinen Augen

Titel: Das Meer in deinen Augen
Autoren: cbt Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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berühren. Sie spürte die Bewegungen des Wassers, das er beim Rudern in ihre Richtung drückte.
    »Ich hab nie etwas Schöneres gesehen«, flüsterte er und hielt kurz die Luft an. Er meinte sie. Das sagten seine Augen. Das Meer spiegelte sich in ihnen wider.
    »Hey«, rief Finn, und ihre Blicke rissen ab. »Wer schwimmt mit mir bis ans Ende der Welt?«
    »Bist du eigentlich so bescheuert, oder tust du nur so?«
    Das Wasser, das für Benjamin bestimmt war, schoss ihr genau ins Gesicht. Das Salz brannte, aber sie war nicht wütend. Sofort spritzte auch sie zurück und rächte sich mit einem Treffer an Finn.
    Es schien, als hätten sie die frische Meeresluft ins Auto mitgenommen, als würde das Meer immer noch rauschen. Alles fühlte sich anders an. Intensiver. Weicher. Echt. Sie schwiegen, als wüssten sie, dass jedes Wort nur stören würde.
    Als ein paar Minuten verstrichen waren und der Verkehr die Brandung in ihren Gedanken übertönte, schaltete Benjamin das Radio an. We found love in a hopeless place, sang Rihanna. Als hätte er es schon gewusst, schaute er sich nach Emma um und sah sie lächeln. Jetzt hatte er es gefunden. In ihren Augen. Nie hatte er ein so starkes Gefühl gehabt. Nicht vergleichbar. Nicht greifbar, und doch würde er es nie loslassen können.
    We found love in a hopeless place. Finn stimmte mit ein. Ein Gesangstalent konnte man ihn wahrlich nicht nennen. Sie mussten zu zweit über ihn lachen, aber er blieb unbeeindruckt und sang weiter mit hoher Stimme mit. Benjamin drückte die Fensterheber und ließ die frische Luft herein. Yellow diamonds in the light …
    Jetzt wusste Emma es. Das Leben hatte neu begonnen. Es zählte nur, was noch kam. Ganz von alleine legte sich das Lächeln auf ihre Lippen. Ganz unbewusst. Ein Spiegelbild dessen, was sie sonst nicht freigelassen hatte. Das Haar war noch feucht. Die dicken Strähnen versperrten ihr die Sicht, aber sehen, dass er es auch fühlte, das konnte sie.
    We found love in a hopeless place … Das Lied verklang. Das war Rihanna mit ihrem neuen Hit. Ein dumpfer Gong meldete sich. Hier ist Radio Nordantenne. Zwölf Uhr. Die Nachrichten am Mittag. Unsere Meldungen des Tages:
    Benjamin hatte den Finger schon auf dem Knopf des Autoradios, als die erste Nachricht verlesen wurde. Ernst und sachlich. So wie das Leben wirklich ist.
    Ein siebenundzwanzigjähriger Mann hat heute seinen Vater in dem Wohnhaus der Familie erschossen. Das Opfer, ein 51-jähriger Anwalt, sei nicht besonders aufgefallen, sei immer ein korrekter Mensch gewesen, so Nachbarn. Der mutmaßliche Täter Falk P. gab laut Polizei an, seine Mutter schützen zu wollen. Der Vater sei gewalttätig gewesen und habe die Familie jahrelang tyrannisiert. Der Täter war bis jetzt nicht vorbestraft. Die weiteren Nachrichten …
    Niemand sagte etwas, während der Nachrichtensprecher Neuigkeiten aus der Politik verlas.
    Benjamin umklammerte das Lenkrad und schaute starr geradeaus, während die Autos auf der Gegenfahrbahn vorbeirauschten. Erst das Hupen eines dicht auffahrenden Porsches holte ihn zurück. Hektisch riss er das Steuer herum und fand gerade noch vor einem ebenfalls hupenden Van in die rechte Fahrspur. Die Reifen verloren kurz den Halt, dann griffen sie wieder. In letzter Sekunde nahm er die nächste Ausfahrt. Die beiden anderen fragten nicht, warum er hier im völligen Niemandsland die Autobahn verließ. Rechts und links waren nur Felder zu sehen. Zwei Kirchtürme von kleinen Ortschaften in der Ferne. Mehr nicht. Kein Auto weit und breit. Ausgestorben. Nach ein paar hundert Metern bogen sie in einen Feldweg ab. Auch das Rütteln des Wagens auf dem unebenen Pfad brachte keinen von ihnen zum Reden. Erst unter einem großen Baum trat Benjamin die Bremse und stoppte kurz vor dem Stamm. Ohne ein Wort stieg er aus, schlug die Tür wieder zu und trottete Richtung Feld.
    Emma folgte. Sie fühlte sich taub. Als hätte ein Sturm alles durcheinandergewirbelt, die Ordnung zerstört, die gerade noch alles zusammengehalten hatte. Über das Feld strich ein leichter warmer Windhauch und ließ die Ähren wie ein goldenes Meer schimmern, das hin und her wogte.
    »Wusstest du das von seinem Vater?«, fragte sie ganz leise, als sie hinter Benjamin stand. Er hatte auf einem alten Meilenstein Platz genommen und hielt eine Zigarette in der Hand. Er schien vergessen zu haben, wie man sie anzündet. Oder es war ihm gar nicht danach.
    »Ihr wart doch seine Freunde?« Sie drehte sich zu Finn um und schaute auch ihn
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