Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Meer in deinen Augen

Das Meer in deinen Augen

Titel: Das Meer in deinen Augen
Autoren: cbt Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
Vom Netzwerk:
dem waghalsigen Sprung abhielt. Es war seine rätselhafte Laune, die er schon seit dem Abflug nicht hatte verstecken können. Ohne ein Wort war Luka den kleinen Pfad hinunter zum Strand gestapft, die Hände in den Taschen seiner Shorts vergraben. Bis er hinter den Sträuchern verschwunden war.
    Benjamin musste husten. Unten am Strand spielten die Wellen ihr immer gleiches Spiel. Mit einem kleinen Unterschied. Über dem groben Sand lag ein roter Schimmer. Eigentlich viel zu schön, um sich darüber zu wundern. Eine verdammte Einbildung, die hier nichts zu suchen hatte. Benjamin schnippte die Zigarette vom Balkon in den Pool und schaute wieder zum Strand. Ein brauner Haarschopf tauchte zwischen den Felsen auf. Benjamin setzte die Sonnenbrille ab und klemmte sie mit einem Bügel an seinen Hemdkragen. Die Augen fielen ihm zu. Er öffnete sie. Ganz langsam erst kam sein Puls in Fahrt. Der Morgen hatte begonnen, sein wahres Gesicht zu zeigen. Noch war er still und friedlich. Benjamin sah genauer hin. Es war ohne Zweifel der Kopf eines Menschen. Die nächste Welle rauschte heran, brach sich an den Klippen und hob den ganzen Körper auf den Kiesstrand. Der Kopf drehte sich zur Seite. Die Haut war kreidebleich. Aus der Ferne war kaum mehr zu erkennen als ein vages Bild. Doch der erste Gedanke, der Benjamin kam, führte ihn zu Luka. Die Ähnlichkeit drängte sich auf, je länger die Brandung den Leib wie ein Stück Treibgut umspülte. Benjamin drehte sich weg. Das konnte nicht sein. Nein. Er musste im Haus sein. Sie hatten doch gemeinsam gefeiert. Fast riss er die Gardine von ihrer Stange, als er zurück ins Zimmer taumelte. Beinahe wäre er auf der Wasserpfütze ausgerutscht, die von der Türschwelle über die Terrakottafliesen bis hin zum Bad führte.
    Ohne ein Wort schaute er das blonde Mädchen an. Mit dem Rücken zu ihm zog sie sich den BH an. »Was hast du?«, fragte sie, nachdem sie bemerkte, wie er sie anstarrte. »Kannst du mir helfen?«, bat sie ihn mit einem Blick über die Schulter. Benjamin schüttelte nur den Kopf. Aber das war keine Antwort auf ihre Frage. Mit schwindendem Gleichgewicht wankte er durch den kalten Flur.
    »Morgen, Benny«, grüßte Finn, der betont lässig am Türrahmen seines Zimmers lehnte. Beinahe wären sie zusammengestoßen. Der Atem stockte ihm. Gelähmt blieb Benjamin vor seinem Freund stehen. »War sie schlecht?«, feixte der Ahnungslose. Benjamin entgegnete nichts, hastete nur weiter und stieß die nächste Tür auf.
    Jemand lag im Bett. Natürlich schlief Luka nur. Mehr nicht. Kein Grund zur Panik. Cool bleiben, redete Benjamin sich zu und riss die Decke hoch. Ein Mädchen. Die Unglückliche, die alleine geblieben war. Aber wo war Luka? Er musste hier irgendwo sein. Der Schweiß stand Benjamin auf der Stirn, als er die Türen des Wandschranks aufriss und einen Kleiderbügel nach dem anderen zur Seite schob. Einfach nur, um den Moment der Wahrheit hinauszuzögern. »Was willst du denn hier?« Sie war aufgewacht und zog die Decke wieder zu sich heran, als müsste sie sich schützen. Benjamins stürmischer Auftritt schien sie zu beunruhigen. »Wo ist er? Er … er muss doch hier sein«, stammelte er bloß. So trocken, wie sein Mund war, klebten die Lippen fast aneinander. Ganz langsam tastete Benjamin sich die Treppe hinunter. Dust in the wind, spielte die Anlage, die niemand ausgeschaltet hatte. Fast stolperte er über die Türschwelle, als er die Terrasse betrat. All we are is dust in the wind … Er trat bis vorne an die Klippe. Wieder rauschte das Meer heran. Vor ihm zerschellte es an dem massiven Stein. Inzwischen trieb ihm der Wind die Tränen in die Augen. Der Himmel spiegelte sich blau, die Sonne weiß in den Wellen. Aber Benjamin kannte nur ein Ziel: Den kleinen Strand links von den Steilfelsen. Eilig sprang er die Stufen hinunter, rutschte ab, schürfte sich das Knie auf, fing sich und hastete weiter. Als der leblose Körper vor ihm auftauchte, kam es ihm hoch. Nicht so wie sonst. Es war nicht der Magen, sondern ein tiefer innerer Schmerz, der sich meldete. Würgend und hustend schleppte Benjamin sich zu dem Körper hin. Es gab keinen Zweifel mehr: Es war Luka. Ein Bild flackerte kurz auf: Luka, der Gitarre spielte und lachte. Seitdem waren nur wenige Stunden vergangen. Schwer atmend tastete Benjamin nach dem Puls. Nichts. Nur die kalte Haut, überzogen mit einer klebrigen Schicht aus Blut, Salz und Sand. »Tu mir das nicht an, Mann«, flehte er seinen Freund an. Dreimal drückte
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher