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Sonnenfeuer

Sonnenfeuer

Titel: Sonnenfeuer
Autoren: Patricia Shaw
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Prolog
    D er große Fluß brauste und glitzerte im Sonnenlicht. Über gewaltige Granitfelsen stürzte er von den geheimnisvollen Höhen des Irukandji-Territoriums und ergoß sich in die ausgedörrten Weiten des Landesinneren. Dort floß er gen Westen durch das Gebiet des grausamen Stammes der Merkin.
    Die Eingeborenen waren stolz auf diesen Fluß. Sie nannten ihn den Goldenen Fluß, denn wenn er nach den Wolkenbrüchen im Sommer wieder ruhig dahinfloß, war er wunderschön anzusehen: Überall entlang des Flußbettes und auf dem Grund der Gesteinsbecken, der tiefen Schluchten, der Felsspalten und der ausgetrockneten Flußläufe und Wasserlöcher in der Ebene funkelten die gelben Kiesel im Sonnenlicht. Sie glitzerten und schimmerten, als habe jemand ein Schmuckstück ins Wasser geworfen, lagen verstreut an den sandigen Ufern und blinkten aus der kristallklaren Tiefe empor. Hoch droben in ihrer felsenbewehrten Festung, im Quellgebiet des Flusses, konnten die Sippen der Irukandji das sich gen Westen endlos dehnende Land überblicken. Doch der Westen bedeutete ihnen nichts. Sie wandten sich lieber nach Osten zur Morgensonne und bewunderten das tiefe Blau des Ozeans und die Wellen, die sich weit draußen am Korallenriff brachen. Die Bergbäche speisten einen zweiten Fluß, der sich direkt ins Meer ergoß. Man nannte ihn den Grünen Fluß, da ihm das Dikkicht, das seine Ufer säumte, eine grünliche Färbung verlieh, bevor er in die geschützte Bucht mündete. Die Irukandji wußten nicht, daß ein weißer Seefahrer bereits ein Jahrhundert vor der Zeit, in der unsere Geschichte spielt, die Bucht nach seinem Schiff benannt hatte:
Endeavour.
Die Irukandji stiegen neben den Wasserfällen herab, um im flachen Wasser des Meeres zu fischen, denn dort war es weniger gefährlich als am Grünen Fluß, in dem es von Krokodilen wimmelte. Damals mußten die Irukandji niemanden fürchten außer den Krokodilen. Seit vielen Jahrhunderten waren sie für ihre Grausamkeit bekannt, und niemand wagte es, ohne Erlaubnis in ihr Gebiet einzudringen.
    Doch nun drohte Gefahr. Von Zeit zu Zeit hatten sie seltsame Wesen von großen Schiffen aus an Land kommen sehen, die Wasser von ihren Quellen schöpften. Bis jetzt hatten sie diese Wesen nur heimlich beobachtet und ungehindert ziehen lassen, so sicher waren sie sich, ihr Stammesgebiet, wenn nötig, verteidigen zu können. Jedoch hatten Boten und Händler von anderen mächtigen Stämmen die beunruhigende Nachricht überbracht, daß diese Fremden durch Stammesgebiete nach Süden vordrangen und, obwohl sie nicht wie Krieger aussahen, böse und gefährlich waren.
    Häuptling Tajatella beriet sich mit den Ältesten, und dem Volk der Irukandji wurde verkündet, daß die stolzen Bergstämme diese Bedrohung nicht hinnehmen würden.
    »Unsere Geduld ist am Ende!« rief Tajatella aus, und seine Krieger stampften zum Zeichen ihrer Zustimmung mit den Füßen, während ihr Kriegsgesang über die Hügel hallte. »Tötet die bösen Wesen! Treibt sie zurück ins Meer!«

1
    A ls der Schoner
White Rose
gemächlich südwärts durch die Whitsunday Passage glitt, konnte Kapitän Otto Beckmann den Rauch der Eingeborenenfeuer über den Hügeln sehen, doch er machte sich keine weiteren Gedanken darüber. Für die Schiffe stellten die Aborigines, die überall an der Küste von Queensland lebten, keine Bedrohung dar.
    Der deutsche Seemann wunderte sich, warum sich die Engländer ausgerechnet in solch einer Wildnis wie Somerset niedergelassen hatten; an der Spitze von Cape York und umgeben von undurchdringlichem Dschungel, wo es von Horden schwarzer Wilder wimmelte. Handelskähne und andere vorbeifahrende Schiffe stellten die einzige Verbindung zwischen den Siedlern und der Außenwelt dar – Schiffe wie die
White Rose.
    Beim bloßen Gedanken an die Eingeborenen schauderte er und bekreuzigte sich. Im Meer zu ertrinken war ein sauberer Tod, aber bei der Vorstellung, von blutrünstigen Wilden in Stücke gehackt zu werden, lief es ihm kalt den Rücken hinunter! Bei Gott! Diese Leute mußten verrückt sein dortzubleiben. Allerdings schien sich John Jardine, der frühere Friedensrichter von Rockhampton und jetzige Vertreter der Krone in Somerset, an alledem nicht weiter zu stören.
    Er hatte sich in den Kopf gesetzt, seine Siedlung in ein zweites Singapur zu verwandeln. Unterstützt von einigen mürrischen Marinesoldaten, einem Militärarzt und einem Häuflein unerschrockener Siedler, baute er gerade eine Stadt auf. Er hatte
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