Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Meer in deinem Namen

Das Meer in deinem Namen

Titel: Das Meer in deinem Namen
Autoren: Patricia Koelle
Vom Netzwerk:
Wasser, Carly tat es ihm nach. Wie erfrischend. So lebendig und angekommen hatte sie sich noch nie gefühlt.
    Thore war keine unglückliche Liebe gewesen, sondern eine glückliche.

    Der Kormoran schlief am Ende der Buhne. Thore watete zu dem Felsen hinaus, der ein paar Meter im Wasser lag, lehnte sich dagegen.
    „Wusstest du, dass Sjöberg Meeresfelsen bedeutet?“
    „Nein.“ Nun würde sie immer an ihn denken, wenn sie den Felsen sah, würde ihn dort stehen sehen, barfuß und mit diesem Lächeln.
    Das Meer in deinem Namen, dachte sie. Bei ihm trifft es also wörtlich zu. Das sieht ihm ähnlich.
    „Hier ist ein guter Platz, sich zu verabschieden“, sagte Thore. „Mach es gut, Carly. Pass auf dich auf und werde glücklich!“
    Zu ihrer Verblüffung beugte er sich vor und küsste sie auf den Mund.
    Es schmeckte nicht verwandtschaftlich, aber nach dem guten Ende einer guten Zeit und einer besonderen Geschichte.
    Carly blieb noch eine Weile am Strand. Als das altvertraute Motorengeräusch von Thores Auto sich hinter den Dünen in der Nacht auflöste, spürte sie keine Traurigkeit. Immer noch barfuß, die Schuhe in der Hand, lief sie den Weg zu Naurulokki hoch, schloss das Gartentor hinter sich und stieg den taufeuchten Hang hinauf. Naurulokki wartete unter dem Mond auf sie.
    Sie war zuhause.
    Ehe sie nach oben ging, machte sie einen Abstecher in die Bibliothek. Sie nahm Jorams Kreisel in die Hand, strich über das seidig glatte Holz, stellte ihn auf seine krumme Spitze, drehte.
    Es funktionierte. Lange, lange, stand er ruhig aufrecht, drehte sich gleichmäßig um seine Mitte.

    Als der neue Herbstmorgen über die Dünen stieg, golden und frisch nach dem Regen, streckte sich Carly genüsslich in Hennys breitem Bett. Sie war in der Nacht noch dorthin umgezogen, in das große Zimmer, von dem aus man sowohl das Meer als auch das weiche, verträumte Blau des Boddens hinter den stillen Wiesen sehen konnte. Jetzt fühlte es sich richtig an. Lange lauschte sie auf das ferne Rauschen, kostete ihr Glück aus. Dann mischten sich andere Töne in dieses Rauschen, heisere, glockenartige Rufe aus der Höhe, die vom Himmel in den Garten von Naurulokki fielen.
    Carly lief zum Fenster. Weit oben sah sie die großen, eleganten Vögel in sauberer Formation nach Süden segeln, frei auf einem Aufwind.
    „Die Kraniche! Die Kraniche fliegen!“, flüsterte Carly in den Wind.

Epilog
     

    Ich lehnte mich auf das Gartentor und sah Carly im Garten von Naurulokki. Sie kehrte die Blätter der Silberpappeln zusammen. Der Himmel wog schwer, die ersten Schneeflocken rieselten aus dem Grau.
    „Hallo, Carly“, sagte ich. „Könnte ich bei dir einen Tee bekommen? Ich bin müde vom Schreiben.“
    Erstaunt sah sie hoch.
    „Gern, aber wer sind Sie?“
    „Verzeihung. Ich bin die Autorin. Ich habe deine Geschichte geschrieben.“
    Erschrocken sah sie mich an.
    „Oh. Du bist das. Was für Tee?“
    „Keine Angst, ich werde die Geschichte nicht mehr ändern. Am liebsten den Tee, der Wellenschatten heißt.“
    „Woher weißt du – ach so, du hast ihn ja erfunden. Guter Tee. Ich hätte noch eine Prise Zimt hinzugefügt. Das schmeckt einfach noch besser.“
    „Gern. Bestimmt hast du recht.“
    Wir betraten die Küche. Sie sah jetzt angenehm bewohnt aus, nicht so verlassen wie nach Hennys Tod. Carly winkte mich auf die Bank und hantierte mit dem Geschirr, als hätte sie schon immer hier gelebt. Ich war zufrieden. Sie passte ausgezeichnet hierher.
    „Übrigens“, sagte sie, nahm ein Blatt Papier aus einem der Kochbücher im Regal und legte es mir vor die Nase. „Das habe ich gefunden. Wäre das nicht ein passendes Titelbild für die Geschichte?“
    Es war eine Zeichnung von dem sandigen Herz am Flutsaum und von der Muschel. Henny hatte davon erzählt. Im Hintergrund war der Leuchtturm von Amrum zu sehen. Nur der Seestern wunderte mich. Henny hatte doch von Carly nichts wissen können. Oder hatte die Zeichnung jemand anderes gemacht? Im Sand steckte eine Möwenfeder und rechts davon schimmerte alles hell, fast durchsichtig. Als wäre das Meer noch dabei, die Geschichte zu Ende zu schreiben.
    „Wann schreibst du weiter?“, fragte Carly, als sie mir die dampfende Tasse hinstellte. Der Zimt duftete wunderbar.
    „Weiter? Ich dachte, das Buch ist zu Ende.“
    „Das geht nicht. Auf gar keinen Fall!“ Carly ließ beinahe die Teekanne fallen. „Ich muss wissen, ob ich Philip Prevo kennenlernen werde. Und dann sind da noch die anderen Dinge, die ich
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher