Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Meer in deinem Namen

Das Meer in deinem Namen

Titel: Das Meer in deinem Namen
Autoren: Patricia Koelle
Vom Netzwerk:
nichts.“

    Benommen ging Carly zurück ins Haus. Wie aus großer Entfernung hörte sie Thore in der Küche fragen: „Wie geht es denn Ihrer Tochter, Frau Webelhuth?“
    Dann Myras Stimme, dunkel: „Liv ist tot. Schon lange.“
    Carly nahm die Worte wahr, ohne sie zu verstehen. Zu ungeheuerlich war Ralphs Eröffnung.
    Thore sprang auf, als er Carlys verwirrtes Gesicht sah.
    „Süße, ist was passiert?“
    „Myra“, sagte Carly und legte ihr Handy vorsichtig zur Seite, als wäre es plötzlich etwas Gefährliches. „Wie hieß der Vater von Henny, der abgehauen ist – wie hieß er mit Vornamen und wann war das?“
    „Hendrik. Hendrik hieß der Schurke, und es war natürlich 1933, kurz nach Hennys Geburt. Ist das wichtig?“
    Carly musste sich setzen.
    „Sehr wichtig. Weil Ralph herausgefunden hat, dass mein Großvater Hendrik Maruhn 1933 nach Berlin kam und Badonin hieß, bis er Inge Maruhn heiratete.“
    Stille.
    „Hendrik Badonin“, sagte Myra tonlos. „Dann ist er nicht im Krieg gefallen, wie alle angenommen haben.“
    „Mein Großvater mochte keine Kinder“, sagte Carly. „Wir hatten Angst vor ihm. Und er war ein eitler Casanova.“
    Myra lachte trocken auf.
    „Oh ja. Das ist Hendrik Badonin, kein Zweifel.“
    „Dann …“ Carly holte tief Luft. „Dann muss …“
    „… dann ist meine Cousine Henny eure Tante“, beendete Thore den Satz. „Du lieber Himmel!“ Er fing an zu lachen. „Du bist mit Henny verwandter als ich! Kein Wunder, dass du ihr so ähnlich siehst und mir das damals sofort aufgefallen ist, als du in meiner Vorlesung aufgetaucht bist.“
    Verblüfftes Schweigen herrschte, während jeder versuchte, sich an diesen Gedanken zu gewöhnen.

    „Donnerwetter!“, murmelte Myra schließlich. „Und nun wurde das Vermögen, das der alte Schurke hinterließ, dazu verwendet, das Haus seiner Tochter für seine Enkelin zu retten. Ich muss sagen, diese feine, gerechte Ironie gefällt mir.“
    „Also eigentlich müsste ich deiner Tante Alissa den halben Kaufpreis zurückgeben. Wenn Henny gewusst hätte, dass sie Nichten hat, hätte sie bestimmt euch als Erben eingesetzt“, bemerkte Thore.
    Carly hob abwehrend die Hände.
    „Bloß nicht. Du hast deine Ferien bei ihr verbracht, dich hat sie gekannt und geliebt und du sie. Das ist völlig in Ordnung so.“ Jetzt, da sie begann, die Zusammenhänge zu verstehen, strahlte sie. Es fühlte sich alles so richtig an. Das war das Puzzleteil, was ihr die ganze Zeit gefehlt hatte.
    „Was für ein Tag! Dann habe ich mir das nicht eingebildet, dass ich mich Henny so nahe fühle! Ich finde es wunderbar, dass ich mit ihr verwandt bin. Und jetzt hier sein darf, mit einer Art Recht darauf. Ihre Tradition fortführen und all das.“
    „Ich weiß!“, rief Thore, der in Nachdenken versunken war. „Es ist ganz einfach. Du und Ralph, ihr bekommt die Bilder – alle! Und die Rechte an Jorams Film. Ihr könnt damit machen, was ihr möchtet. Dann ist das Erbe ungefähr gleich verteilt. Ich gebe dir das noch schriftlich.“

    Draußen hatte der Regen aufgehört und der Wind auch. Trotzdem schwankte das Windspiel an der Hausecke, streute Töne in den Abend. Der Mond stand über den Dünen und ließ die weißen Hortensien, Astern und Dahlien in Hennys Garten leuchten.
    Unten am Meer schlug eine Welle gegen die Buhne. Der Kormoran zog den Kopf unter dem Flügel hervor und betrachtete eine Gestalt, die neben ihm saß, ohne dass er sie hatte kommen hören. Ein Mann im Umhang, nur nebelhaft erkennbar. Worte klangen leise durch die Dunkelheit, oder war es nur der Wind zwischen den morschen Balken? Dem Kormoran war es gleich.
    „Der erste Schritt ist getan, alter Gefährte.“

    Später sah der Mond Thore und Carly dort am Strand schlendern, langsam, um den Moment hinauszuzögern.
    „Sind wir jetzt auch verwandt?“, fragte Carly. „Ich habe den Überblick verloren.“
    „Nicht blutsverwandt. Hennys Mutter und meine Mutter waren Schwestern. Du bist aber mit Henny über ihren Vater verwandt. Bestenfalls bin ich eine Art angeheirateter halber Onkel von dir.“
    Sie mussten beide lachen. Er blieb stehen, sah ihr in die Augen und strich ihr eine Locke hinter das Ohr.
    „Macht es das leichter?“
    „Vielleicht.“ Sie legte einen Moment den Kopf auf seine Schulter.
    Es war angenehm still hier draußen in der kühlen Nachtluft, nach all dem Lachen und Stimmengewirr. Jetzt war es ganz ruhig in ihr.
    Einträchtig gingen sie weiter. Thore zog die Schuhe aus, lief im
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher