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Das Meer der Zeit: Roman (German Edition)

Das Meer der Zeit: Roman (German Edition)

Titel: Das Meer der Zeit: Roman (German Edition)
Autoren: Beatriz Williams
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ächzend unter einem Stapel Mappen herein. Ich sprang auf, schnappte mir eine und blätterte zu den veränderten Seiten. Alles erledigt. »Danke, Kumpel«, murmelte ich.
    »Kein Problem. Lassen Sie nur Banner gegenüber meinen Namen fallen.«
    »Klar doch.« Ich warf die Mappen auf den Tisch und erwartete eigentlich, dass er nun gehen würde. Aber er tat es nicht, sondern blieb abwartend zwischen Tisch und Tür stehen. Als ich mich umschaute, sah ich gerade noch, dass er abfällig den Kopf schüttelte.
    »Tut mir leid. Wie war denn noch mal Ihr Name?«
    »Doyle. David Doyle.«
    »Ich werde Sie in höchsten Tönen loben. Ehrenwort«, sagte ich und strahlte ihn an.
    »Mann, das war beeindruckend«, meinte Charlie lachend, als David Doyle den Rückzug antrat. »Der frisst dir jetzt aus der Hand.«
    »Wohl kaum. Und wo ist Banner?«, wiederholte ich. »Es ist zehn vor elf.«
    »Oh, vermutlich beim Begrüßungsritual mit Alicia. Banner wird sich doch nicht von einem Niemand wie Julian Laurence das Schäferstündchen vermasseln lassen.«
    »Er sollte sich besser Gedanken um die Präsentation machen.«
    Charlie ließ sich selbstbewusst auf einen Stuhl fallen und fing an zu wippen. »Kate, niemand hier ist Laurence je begegnet. Er telefoniert nicht mit Börsenmaklern. Er liest die Börsennachrichten nicht.«
    »Vermutlich ein Großkotz wie alle anderen auch. Du kennst ja diese Hedgefonds-Typen.«
    »Kate, Laurence ist nicht irgendein Hedgefonds-Typ, sondern der Hedgefonds-Typ an sich. Er hat Southfield in etwa sieben Jahren von null auf zwanzig gebracht. Der Bursche hat es voll drauf. Der kann was.«
    Ich hörte das rhythmische Quietschen von Charlies hin und her wippendem Bürostuhl und schmunzelte in den Fernsehbildschirm. Ein attraktiver Mann, dieser Charlie. Nicht, dass mir das noch groß aufgefallen wäre, weil ich ihn seit zweieinhalb Jahren beinahe jeden Tag meines Lebens gesehen hatte, manchmal vierundzwanzig Stunden am Stück, manchmal sturzbetrunken und einmal sogar mit einer beängstigend explosiven Darmgrippe (seiner, nicht meiner). Er war auf durchschnittliche Weise hübsch, mit dem ebenmäßigen Gesicht eines Oberschülers und glattem dichtem braunem Haar, das er zurückgekämmt trug wie eine Miniaturausgabe von Gordon Gekko.
    »Und wozu macht ihn das?« Ich drehte mich gerade rechtzeitig herum, um Charlie dabei zu ertappen, wie er meinen in einem schmal geschnittenen Rock steckenden Po begaffte. »Zum ultimativen Großkotz anstatt zu einem x-beliebigen?«
    »Ach, Kate.« Charlie nahm einen Gummiball aus der Tasche und fing an, ihn mit der linken Hand zusammenzudrücken. »Er ist eine lebende Legende. Hat den Aufschwung nach dem 11. September auf die gottverdammte Minute genau vorhergesagt und einige lukrative Wetten auf dem Finanzmarkt gewagt. Sehr riskant, hat sich jedoch bezahlt gemacht. Und als die Aktien auf dem Höchststand waren, hat er sie alle abgestoßen. Auf dem Höchststand, altes Mädchen. Der Kerl hat Nerven aus Stahl. Jetzt ist er Milliardär.« Charlie schüttelte den Kopf; ein ehrfürchtiges Leuchten stand in seinen Augen. »Noch keine fünfunddreißig und die Schallmauer durchbrochen. Er hat sie alle in die Tasche gesteckt.«
    »Beeindruckend.«
    »Ach, komm schon. Schau nur, wie du dich verrückt machst. Schnall dir zur Abwechslung mal ein paar Eier um.« Ein hinterhältiges Grinsen auf den Lippen, verlegte er den Ball in die rechte Hand und ließ ihn über die Handfläche rollen. »Du bist doch ein kluges Mädchen.«
    »Danke.« Stirnrunzelnd klickte ich noch einmal das erste der überarbeiteten Dias an. Fünfundzwanzig Prozent. Man würde uns in der Luft zerreißen.
    »Nein, im Ernst. Außerdem hast du uns anderen etwas Wichtiges voraus.«
    Ich zog eine Augenbraue hoch und sah ihn an. »Und das wäre?«
    »Deine Optik, Kate.« Er warf den Ball hoch und fing ihn mit einer geschickten Handbewegung auf. »Du bist das Erste, was die Typen wahrnehmen, wenn sie ins Zimmer kommen. Das solltest du ausnützen.«
    »Herrje, Charlie«, entgegnete ich ein wenig zu scharf und spürte, wie Charlie zusammenzuckte. Seine Finger schlossen sich um den Ball.
    »O Mann«, seine Stimme zitterte, als ihm die Tragweite seiner Worte bewusst wurde, »du wirst dich doch nicht etwa über mich beschweren?«
    »Nein, nein. Mein Gott, Charlie, kein Problem. Alles nur Spaß.«
    Seine Hand lockerte sich; der Ball flog wieder in die Luft. »Du hältst dich anscheinend nicht für gut aussehend?«, hakte er nach,
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