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Das Meer Der Lügen: Ein Lord-John-Roman

Titel: Das Meer Der Lügen: Ein Lord-John-Roman
Autoren: Diana Gabaldon
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fragte er herausfordernd. »Dass sie ihn umgebracht hat und sie Euer Geld aus Schuldgefühl abweist? Zeig ihnen deine Hände, Francine!«
    Er ergriff die Hände der Frau und riss sie hoch, sodass sie gut zu sehen waren. Der kleine Finger der einen Hand war mit einem Holzspan geschient; ansonsten trugen ihre Hände keine Spuren außer den Narben abgeheilter Verbrennungen und den rauen Fingerknöcheln täglicher Arbeit - die Hände einer Hausfrau, die zu arm war, um eine Hilfe zu bezahlen.
    »Ich gehe nicht davon aus, dass Mrs. O’Connell ihren Mann selbst zu Tode geprügelt hat, nein«, erwiderte Grey unverändert höflich. »Aber sie muss ja nicht ihrer eigenen Taten wegen ein schlechtes Gewissen haben, oder? Es könnte ja auch Taten gelten, die in ihrem Interesse geschehen sind - oder auf ihren Wunsch.«
    »Kein schlechtes Gewissen.« Die Frau entriss Scanlon abrupt ihre Hände und stand auf. Ihr verwüstetes Gesicht zitterte. Die Gefühle wechselten wie Meeresströmungen unter ihrer fleckigen Gesichtshaut, als sie nun von einem Mann zum anderen blickte.
    »Ich werde Euch sagen, warum ich Euer Geschenk zurückweise, meine Herren. Der Grund ist nicht mein Gewissen, sondern mein Stolz.« Ihre Schlitzaugen ruhten auf Grey, hart und leuchtend wie Diamanten. »Oder meint Ihr, eine arme Frau wie ich hat keinen Anspruch auf ihren Stolz?«

    »Stolz auf was?«, wollte Stubbs wissen. Er warf erneut einen viel sagenden Blick auf ihren Bauch. »Ehebruch?«
    Zu Stubbs’ peinlich berührter Überraschung lachte sie.
    »Ehebruch, was? Nun, wenn es das ist, dann habe ich nicht damit angefangen. Tim O’Connell hat mich voriges Jahr im Frühling sitzen gelassen; hat was mit’ner Bordellschlampe angefangen und sein ganzes Geld ausgegeben, um ihr Flitterkram zu kaufen. Vor zwei Tagen, als er hierher gekommen ist, habe ich ihn zum ersten Mal seit sechs Monaten gesehen. Hätte Mr. Scanlon mir nicht Arbeit und ein Dach überm Kopf angeboten, wäre ich mit Sicherheit zu der Hure geworden, für die Ihr mich haltet.«
    »Besser Hure für einen Mann als für viele, nehme ich an«, murmelte Grey und legte Stubbs die Hand auf den Arm, um weitere unbeherrschte Bemerkungen zu unterbinden.
    »Dennoch, Madam«, fuhr er etwas lauter fort, »verstehe ich nicht ganz, was Ihr dagegen habt, ein Geschenk von den Kameraden Eures Mannes anzunehmen, um Euch bei der Beerdigung behilflich zu sein - wenn sein Tod Euch tatsächlich keine Schuldgefühle verursacht.«
    Die Frau richtete sich auf und verschränkte die Arme unter ihrer Brust.
    »Werde ich die Börse da annehmen und sie benutzen, um schöne Worte über seiner stinkenden Leiche sprechen zu lassen? Oder schlimmer noch, Kerzen anzünden und Messen für eine Seele sprechen zu lassen, die jetzt im Schlund der Hölle brennt, wenn der Herr Gerechtigkeit kennt? Nein, Sir, das werde ich nicht!«
    Grey betrachtete sie mit Interesse - und einem gewissen Maß an Bewunderung -, dann richtete er den Blick auf
den Apotheker, um zu sehen, wie er diese Rede aufnahm. Scanlon war einen Schritt zurückgetreten; seine Augen waren auf das verletzte Gesicht der Frau geheftet, seine Stirn hatte sich leicht gerunzelt.
    Grey schob sich die silberne Halsberge zurecht, dann beugte er sich vor, nahm die Börse vom Tisch und ließ sie auf seiner Handfläche klimpern.
    »Wie Ihr wünscht, Madam. Möchtet Ihr dann auch die Pension ablehnen, die Euch als Witwe eines Sergeanten zusteht?« Eine solche Pension war ohnehin gering, doch in Anbetracht der Lage, in der sich die Frau befand…
    Einen Moment stand sie unentschlossen da, dann hob sich ihr Kopf wieder.
    »Die nehme ich an«, sagte sie und schenkte ihm einen glitzernden Blick aus ihrem zugeschwollenen Auge. »Ich habe sie mir verdient.«

3
    Oh, welch verworrenes Netz wir weben …
    Es blieb ihnen nichts anderes übrig als die Angelegenheit zu Protokoll zu geben. Jemanden zu finden, der sie zu Protokoll nahm, war schon schwieriger; da das Regiment für seinen neuen Posten aufgestockt und ausgestattet wurde, herrschte ein ständiges Kommen und Gehen. Die übliche Parade war vorerst ausgesetzt, und niemand war, wo er sein sollte. Es war kurz nach Sonnenuntergang am folgenden Tag, als Grey endlich auf Quarry stieß, und zwar im Rauchersalon des »Beefsteaks«.
    »Meint Ihr, sie haben die Wahrheit gesagt?« Quarry spitzte die Lippen und blies nachdenklich einen Rauchkringel in die Luft. »Scanlon und die Frau?«
    Grey, der sich darauf konzentrierte, seine frische
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