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Das Meer Der Lügen: Ein Lord-John-Roman

Titel: Das Meer Der Lügen: Ein Lord-John-Roman
Autoren: Diana Gabaldon
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du dafür nicht hinreichend empfänglich wärst, John. Du hast in mancher Hinsicht einen unpraktischen Sinn für Humor. Du kannst ihn dir ja auch leisten. Ich kann das nicht.«
    Everett warf blinzelnd einen Blick auf das Bett, dann auf Grey, um den Abstand einzuschätzen. Er nickte und kam zu einem Entschluss.
    »Ja, so geht es. Du wolltest deine Opferpflichten mittels einer Schlinge erfüllen - manche Leute verabscheuen Blut -, und obwohl es dir gelungen ist, brachte das Mädchen es fertig, das Messer zu ergreifen und dich so schwer zu verwunden, dass du verblutet bist, bevor ich dir zu Hilfe kommen konnte. Tragischer Unfall; was für eine Schande. Rück ein wenig näher an das Bett heran, John.«
    Grey trat einen Schritt auf das Bett zu. Dann wirbelte er herum, schleuderte Everett seinen Wein ins Gesicht und schmetterte das Glas hinter sich, so dass es an den Steinen der Wand zersplitterte. Er fuhr auf der blanken Ferse herum und stürzte sich auf Everett, wobei er mit aller Kraft mit dem scharfkantigen Überbleibsel des Glases in seiner Hand zustieß.
    Everett grunzte - eine Hälfte seines attraktiven Gesichtes war aufgeschlitzt und versprühte Blut. Warme Tropfen trafen auf Greys Gesicht, und er schnappte nach Luft. Everett stieß ein kehliges Grollen aus, entblößte seine blutigen Zähne und fuhr mit der Klinge an der Stelle durch die Luft, an der Lord John eine Sekunde zuvor gestanden
hatte. Durch das Blut halb geblendet, sprang er wie eine Bestie knurrend vor und stieß erneut zu. Grey duckte sich, steckte einen kräftigen Hieb ein und fiel über die Leiche der Frau auf dem Bett. Er rollte sich zur Seite, doch er saß in der Falle, denn die weiten Falten seiner Robe hingen unter ihm fest.
    Das Messer glänzte über ihm auf. In seiner Verzweiflung riss er die Knie hoch, stieß Everett beide Füße vor die Brust und schleuderte ihn von sich.
    Everett stolperte, taumelte rückwärts durch den Raum, fing sich halb, dann erstarrte er abrupt. Sein Gesicht trug einen Ausdruck grenzenloser Überraschung.
    Seine Hand entkrampfte sich, er ließ das Messer fallen und sank dann langsam durch die Luft, eine Geste, die so elegant war wie der Tänzer, der er war. Seine Finger berührten den geröteten Stahl, der aus seiner Brust ragte, neugierig herauszufinden, was für ein seltsamer Gegenstand dies war. Er blickte darauf hinab, dann hinauf zu Grey und sank langsam zu Boden, den Mundwinkel hochgezogen, als hätte er vor, etwas zu sagen - oder zu lachen.
    Schließlich tat er einen keuchenden Atemzug und fiel kopfüber zu Boden, sein Haar ein See aus Dunkelheit auf den Steinen.
    Harry Quarry stellte einen Fuß auf Everetts Rücken und befreite sein Schwert mit einem heftigen Ruck.
    »Gut, dass ich gewartet habe, was?« Er blickte zu Grey auf und grinste, und die Narbe zog seinen Augenwinkel nach unten. »Ich war im Begriff zu gehen, als ich einen Kerl mit einer Laterne aus dem Haus kommen sah. Ich bin ihm gefolgt und habe diesen hübsch monströsen Eingang in den Hügel gefunden - dem Mann, der dieses Kunstwerk
geschaffen hat, würde ich gern einmal die Hände schütteln, das sage ich Euch.«
    Grey setzte sich auf und öffnete den Mund, doch es kamen keine Worte. Sein Kopf fühlte sich leicht und benommen an, als wollte er ihm von den Schultern schweben.
    »Dann habe ich Schandgesänge gehört, habe diese Kerle mit ihren Kapuzen gesehen und mir gedacht, am besten bleibe ich und sehe mir an, was für Streiche sie im Schilde führen. Tut mir Leid, dass ich nicht eher gekommen bin - hat eine Weile gedauert herauszufinden, wo sie Euch hingebracht hatten. Hier ist es wie in einem Karnickelbau.«
    »Streiche«, wiederholte Grey. Er stand auf oder versuchte es. Seine Knie waren weich geworden. »Ihr… habt Ihr gehört?« Sein Herz schlug sehr langsam; wie im Traum fragte er sich, ob es wohl jeden Augenblick stehen bleiben würde.
    Quarry sah ihn an. Sein Gesichtsausdruck war nicht zu deuten.
    »Ich habe es gehört.« Er wischte sein Schwert ab, dann steckte er es in die Scheide, trat zum Bett und bückte sich, um Grey anzusehen. Wie viel hatte er gehört, fragte sich Grey - und was hatte er daraus geschlossen?
    Eine raue Hand strich ihm das Haar zurück. Er spürte, dass es steif und verklebt war, und dachte an Robert Geralds Mutter.
    »Das ist nicht mein Blut«, sagte er.
    »Zum Teil schon«, sagte Quarry und zeichnete eine Linie an der Seite seines Halses nach. In Folge der Berührung spürte er das Beißen des Schnittes, den er
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