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Das Meer Der Lügen: Ein Lord-John-Roman

Titel: Das Meer Der Lügen: Ein Lord-John-Roman
Autoren: Diana Gabaldon
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neigte.
    »Danke«, sagte Grey höflich. »Vielleicht später.« Er nahm kaum wahr, was er sagte, denn eine Reihe verkorkter Flaschen hatte seine Aufmerksamkeit erregt.
    Quecksilbersulfid , stand auf mehreren Etiketten, Guiacum auf anderen. Der Inhalt der Flaschen schien sich im Aussehen zu unterscheiden, doch die Beschreibung war bei beiden Sorten gleich: Zur schnellen und wirksamen Behandlung bei Gonorrhoe, Weichem Schanker, Syphilis und allen anderen Formen der Geschlechtskrankheit .
    Eine Sekunde lang kam ihm der wilde Gedanke, Trevelyan zum Essen einzuladen und ihm eine dieser viel versprechenden Substanzen unter das Essen zu mischen. Unglücklicherweise hatte er zu viel Erfahrung mit dieser Art von Medizin, um darauf zu vertrauen; Peter Tewkes, ein guter Freund, war im vergangenen Jahr gestorben, nachdem
er sich im St. Bartholomew’s Hospital nach mehreren fehlgeschlagenen Versuchen mit frei käuflichen Arzneien einer »Quecksilbersalivation« zur Syphilisbehandlung unterzogen hatte.
    Grey hatte es zwar nicht persönlich mit angesehen, da er zu diesem Zeitpunkt im Exil in Schottland gewesen war, hatte es jedoch von gemeinsamen Freunden gehört, die Tewkes besucht hatten und nachdrücklich von der furchtbaren Wirkung des Quecksilbers berichtet hatten, ganz gleich, ob innerlich oder äußerlich angewandt.
    Er konnte nicht zulassen, dass Olivia Trevelyan heiratete, wenn er tatsächlich krank war, doch er hatte auch keinerlei Bedürfnis, verhaftet zu werden, weil er versucht hatte, den Mann zu vergiften.
    Stubbs, der von der geselligen Sorte war, ließ sich gerade in ein Gespräch über den Feldzug in Indien verwickeln; die Zeitungen hatten von Clives Sturm auf Kalkutta berichtet, und ganz London vibrierte vor Aufregung.
    »Aye, ich hab doch selbst einen Vetter, der unter Clive dient«, sagte der Apotheker und richtete sich sichtlich stolz auf. »Einundachtzigstes Artillerieregiment, bessere Soldaten findet man auf Gottes grüner Erde nicht -«, grinste er und zeigte seine ebenmäßigen Zähne, »- mit Ausnahme der anwesenden Herrschaften natürlich.«
    »Einundachtzigstes?«, sagte Stubbs und machte ein verwirrtes Gesicht. »Ich dachte, Ihr hättet gesagt, Euer Vetter sei im Dreiundsechzigsten.«
    »Beides, werter Sir. Ich habe mehrere Vettern, und das Soldatenleben liegt bei uns in der Familie.«
    Jetzt, wo er seine Aufmerksamkeit wieder auf den Apotheker gerichtet hatte, wurde Grey allmählich bewusst,
dass irgendetwas mit dem Mann nicht stimmte. Er kam näher und betrachtete Scanlon verstohlen über seinen Becherrand hinweg. Der Mann war nervös - warum? Seine Hände hatten nicht gezittert, als er den Alkohol eingeschenkt hatte, doch er hatte Falten der Anspannung um die Augen herum, und sein verkrampftes Kinn passte nicht zu seinem beiläufigen Redefluss. Der Tag war warm, doch in der Apotheke war es nicht warm genug, um den Schweißfilm auf den Schläfen des Apothekers zu erklären.
    Grey schaute sich im Raum um, sah aber nichts Auffälliges. Verbarg Scanlon illegale Handelsware? Sie befanden sich hier nicht weit von der Themse entfernt; das Puddle Dock, wo man O’Connells Leiche gefunden hatte, lag am Zusammenfluss von Themse und Fleet, und Schmuggelei war wahrscheinlich ein ganz normaler Erwerb für jeden Bootsbesitzer in der Nachbarschaft. Eine Apotheke gab einen besonders guten Umschlagplatz für Schmuggelware ab.
    Doch wenn das der Fall war, warum alarmierte ihn die Gegenwart zweier Armeeoffiziere so? Die Schmuggelei war eine Angelegenheit des Londoner Magistrats oder Zolls, vielleicht der Schiffereibehörden, aber -
    Über ihren Köpfen erklang ein leises, aber deutliches Rumpeln.
    »Was ist das?«, fragte er scharf und blickte nach oben.
    »Oh - nichts, nur die Katze«, erwiderte der Apotheker sofort und machte eine abwinkende Handbewegung. »Abscheuliche Kreaturen, Katzen, aber da Mäuse noch abscheulichere Kreaturen sind …«
    »Das war keine Katze.« Greys Augen waren immer
noch zur Decke gerichtet, an deren Balken getrocknete Kräuterbündel hingen. Während er hinsah, erzitterte eines der Bündel kurz, dann das daneben; ein feiner, goldener Staub rieselte nieder, und der Lichtstrahl, der zur Tür hereinfiel, ließ die einzelnen Körnchen aufleuchten.
    »Da oben läuft jemand herum.« Ohne den Protest des Apothekers zu beachten, schritt er auf den Leinenvorhang zu, schob ihn zur Seite und hatte die Treppe schon zur Hälfte erklettert, die Hand am Schwertknauf, bevor Stubbs sich so weit gesammelt
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