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Summer Westin: Todesruf (German Edition)

Summer Westin: Todesruf (German Edition)

Titel: Summer Westin: Todesruf (German Edition)
Autoren: Pamela S. Beason
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    In den Büschen vor ihr raschelte es. Vielleicht ein Bär? Erwartungsvoll trat Sam ein paar Schritte zurück. Vom Parkplatz aus, wo sie Raider ausgesetzt hatte, war sie seinen Spuren bis zu diesem dichten Brombeergebüsch gefolgt. Sie wollte ihren Problembären unbedingt sehen, wollte sich vergewissern, dass er sich nach seiner Wiederauswilderung in der Gegend rund um den Marmot Lake gut eingelebt hatte. Hoffentlich klaubte er Beeren und grub die Erde nach Essbarem um, wie sich das für einen anständigen Schwarzbären gehörte, und war nicht zum Hok-Rain-Forest-Zeltplatz zurückgekehrt, um seine Lieblingsmülltonnen zu plündern.
    Die Blätter bewegten sich nicht mehr. Stille. Kein Raider. Vielleicht war es nur ein Waschbär gewesen oder ein Douglashörnchen, vielleicht auch nur ein Vogel. Egal, um was es sich handelte, sie würde sich nicht durch diese Dornen kämpfen, um es sich anzusehen. Sie nahm sich vor, die nicht standortgerechten Büsche bei Gelegenheit auszugraben. Als sie sich umdrehte, um einen anderen Weg zu suchen, stockte ihr plötzlich der Atem.
    In der Lichtung hinter ihr stand ein Jäger. Der Eindringling war lautlos aus dem Wald getreten, in voller Tarnausrüstung inklusive entsprechender Kappe und grüner und grauer Gesichtsbemalung. An seinem Gürtel hing ein riesiges Messer, in der Hand hielt er eine Waffe, offensichtlich ein Automatikgewehr. Abschätzig ließ er den Blick über Sams Rangeruniform gleiten.
    Sam zwang sich einzuatmen, ihr Herzschlag setzte wieder ein, allerdings doppelt so schnell wie vorher. Zu ihrer Überraschung klang ihre Stimme erstaunlich ruhig, als sie sagte: »Dieses Gebiet ist jetzt Teil des Olympic National Park. Jagen ist hier verboten.«
    Der Eindringling starrte sie an und hob leicht das Gewehr, als überlege er, ob er sie erschießen solle. Dann drehte er sich geräuschlos um und verschwand wie ein heimtückisches Gespenst zwischen den Bäumen.
    Sam seufzte erleichtert auf und rieb sich die feuchten Handflächen an der Uniformhose trocken. Ein Glück, dass der Jäger ihren Worten Glauben geschenkt hatte. Seit sie offiziell beim National Park Service arbeitete, konnte sie endlich mit einer gewissen Autorität gegen Rechtsverstöße vorgehen, auch wenn sie nur einen Zeitvertrag hatte. Idioten hörten eher auf eine Frau, wenn sie eine staatliche Uniform trug.
    Erst nachdem sie ein paar Meter weitergegangen war, wurde ihr bewusst, dass gerade Schonzeit herrschte, und die galt für alle Tiere. Das machte die Begegnung noch verdächtiger. Ihrer Erfahrung nach waren Wilderer wie Schlangen: Sah man eine, lauerte meist noch ein Dutzend weitere versteckt in der Nähe. Hatte sie Raider zwischen lauter Wilderern ausgesetzt? Welch bittere Ironie das wäre! Sie sah schon die Schlagzeile vor sich: NATIONALPARK-BIOLOGIN LIEFERT ÖRTLICHEN WILDERERN LEICHTE BEUTE.
    Ein Glück, dass sie sich zurzeit nicht mit Kommentaren im Internet herumschlagen musste. Es war wirklich angenehm, ein paar Monate lang keinen Zugang zur digitalen Welt zu haben.
    »… und dann hat Rocky sich für Deborah entschieden, weil ihr Vater ein Flugzeug hat.«
    Flugzeug? Abrupt wurde Sam aus ihren Gedanken gerissen. Sie befand sich auf dem Feuerturm, und tief unten erstreckten sich unter einem sternenübersäten Himmel endlose Hektar schwarzer, spitzer Douglasfichten. Im Osten lugte gerade der Vollmond über die Olympic Mountains. Schon bald würde der schwarze Fleck im Norden, der den Marmot Lake darstellte, wie geschmolzenes Silber glänzen.
    Sam legte das Fernglas auf das Fenstersims, kritzelte OK -Westin in die 23-Uhr-Spalte des Logbuchs und drehte sich dann auf dem hohen Holzstuhl herum, um einen Blick auf die 13-jährige Lili Choi zu werfen, die im Schneidersitz auf ihrem Schlafsack auf dem unebenen Holzboden saß und sie aus ihren karamellfarbenen Augen ansah. Offensichtlich erwartete sie irgendeine Reaktion.
    »Hmm.« Sam presste die Lippen aufeinander und neigte leicht den Kopf, womit sie – so hoffte sie – Interesse bekundete, ohne sich auf irgendetwas festlegen zu müssen. Sie hatte das Mädchen völlig ausgeblendet gehabt. Wie schafften es Joe und Laura und all die anderen Eltern bloß, den Geschichten ihrer Kinder zu folgen? Das Geplapper hörte und hörte nicht auf.
    »Das ist doch nicht fair, oder?«
    Sam beugte sich vor, weg vom Zischen der Coleman-Lampe, die neben ihrem Ellbogen stand, und erwiderte: »Eigentlich nicht, aber …« Aber was?
    »Wir können schließlich nicht alle Flugzeuge
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