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Das magische Schwert

Titel: Das magische Schwert
Autoren: Marie Rutkoski
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heiraten. Er hatte gedacht, er würde sich nun anders fühlen, doch in Wahrheit hatte sich nichts verändert. Er hatte kein Geld, um Land zu kaufen. Die einzige Universität, auf die er gehen wollte, war die Akademie, und das war unmöglich. Und ihm war kein Vierzehnjähriger bekannt, der tatsächlich geheiratet hatte.
    Aber zumindest bedeutete Tomiks Aufstieg, dass er nicht mehr der Lehrling seines Vaters war. Er war jetzt ein Geselle. Das blaue Abzeichen mit aufgestickten roten Flammen war Meister Stakans Geburtstagsgeschenk für seinen Sohn gewesen.
    Am nächsten Morgen hatte Tomik das Abzeichen über sein Herz gesteckt. Doch als seine Mutter anfing, darüber rumzusülzen, hatte Tomik das Gefühl, als wären seine geheimsten Hoffnungen ans Tageslicht gekommen, und er riss sich das Abzeichen wieder von der Schürze.
    Doch irgendetwas an diesem trüben Vormittag Ende Dezember veranlasste ihn, das Stück Stoff aus dem Kasten unter seinem Bett herauszufischen. Er wusste, dass er den ganzen Nachmittag alleine im Laden sein würde, da seine übrige Familie Besorgungen zu erledigen hatte. Aber vielleicht käme ja irgendjemand vorbei …

    Als Petra die Ladentür des Hauses zum Feuer aufmachte, konnte Tomik nicht anders, als sich zu fragen, ob ihn das Gesellenabzeichen an seiner Brust nicht vielleicht am Ende doch anders wirken ließ.
    Petra murmelte einen geistesabwesenden Gruß und Tomiks Lächeln erlosch.
    Petra setzte sich neben dem Rapsölfeuer an den Arbeitstisch und rückte das unsichtbare Schwert so zurecht, dass es ihr nicht in die Seite stach. Das Zinnblech legte sie auf die Bank.
    Ein mächtiger Metallhund kam in den Raum gestürzt. Atalanta stieg an Petra hoch und beschnüffelte sie ausgiebig.
    »Attie, benimm dich«, befahl Tomik.
    »Wo Astro?«, hechelte Atalanta und zeigte geschliffen scharfe Zähne. Die silbrige Zunge hing ihr aus dem Maul.
    Die Spinne kam Petras Arm heruntergeschritten und trat auf den Tisch. »Du solltest ›wo ist Astrophil‹ sagen.« Er hob ein Bein und schüttelte es in Atalantas Richtung. »Du bist alt genug, um gelernt zu haben, wie man ordentlich spricht.«
    »Astro!« Der Hund stieß mit der Nase gegen die Spinne.
    Astrophil wich zurück.
    »Sie versucht nur, dich zu lecken«, sagte Petra.
    »Darf ich vielleicht darauf hinweisen, dass ihre Zunge ungefähr fünfmal so groß ist wie mein ganzer Körper?«
    Tomik goss grünes Rapsöl in eine Schüssel und stellte sie in eine Ecke der Werkstatt. »Komm her, du großer Zinnbrocken.«
    Atalanta schlabberte das Öl auf und verkleckerte grüne Tropfen um die Schüssel.
    Petra blickte auf ein Häufchen Sand in einem Tiegel neben dem Feuer. »Was machst du da,Tomik?«
    »Weingläser. Ich würde so gerne reinweißen Sand in die
Finger bekommen. Wenn du weißen Sand erhitzt, bekommst du die klarsten Gläser der Welt. Nicht so wie dieses stumpfe hellbraune Zeug hier. Aber dein Vater hat mir Eisenoxyd gegeben, um es der Ladung beizumischen, das den Gläsern ein ganz passables Rot geben soll. Wenn du kein klares Glas machen kannst, dann kannst du es genauso gut färben.«
    »Du scheinst davon nicht gerade begeistert zu sein.«
    »Die Gläser werden hübsch, aber nichts Besonderes. Verstehst du, was ich meine?«
    Petra beugte sich vor. »Hast du in letzter Zeit was Besonderes gemacht?«
    Eifrig langte er in seine Tasche und holte etwas hervor, das die Form eines ovalen Kieselsteins hatte. Mit einem leisen Klacken legte er den gläsernen Gegenstand auf den Tisch.
    Petra nahm ihn und hielt ihn ins Licht des Feuers. Er war fast klar mit einem Stich Blau und schimmerte etwas heller als normales Glas. »Was ist das?«
    »Rate mal.«
    Nachdem Tomik Verschwiegenheit geschworen hatte, hatte Petra ihm von ihrer Fähigkeit erzählt, mit Astrophil zu sprechen. Manchmal bereute sie es, weil Tomik so begeistert davon war, dass sie über ein magisches Talent verfügte, und sie oft drängte, es zu nutzen. Wie jetzt. Petra blickte Tomik an und wünschte, er hätte sie an diesem Morgen nicht herausgefordert, gerade an diesem Morgen nicht, an dem es so aussah, als wäre sie überhaupt nicht dazu in der Lage, auch nur irgendetwas richtig zu machen. Sie rollte den Stein zwischen den Fingern und war sich bewusst, dass Tomik und Astrophil sie beobachteten. Sie schloss die Augen und konzentrierte sich auf das glatte Glas. Etwas regte sich in ihrem Kopf. »Blei?« Petra machte die Augen auf. »Ist da Blei in dem Glas?«

    »Auf Anhieb richtig geraten! Schau mal.«
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