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Das magische Schwert

Titel: Das magische Schwert
Autoren: Marie Rutkoski
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Kronos mit deutlich sanfterer Stimme. Auch wenn das Schwert, das er geschmiedet hatte, unsichtbar war, wusste er doch, dass Petra es noch um die Hüfte geschnallt trug. Er versuchte, seine Erleichterung nicht zu zeigen. Er versuchte, nichts von dem zu zeigen, was Petra beim Haus zum Kompass zurückhalten könnte.
    Petras Lippen wurden schmal wie zwei Striche. Sie drehte sich um und ging mit großen Schritten auf das Dorf zu. Astrophil ritt auf ihrer Schulter und blickte zu Meister Kronos zurück.
    Der Vogel landete auf dem schmelzenden Schnee und beobachtete, wie Petra davonstürmte. Dann hüpfte er zu Mikal, legte den Kopf schief und musterte den Mann. Es war nicht so ganz sicher, doch es wirkte so, als wäre seine Botschaft verstanden worden, auch wenn sich der Mann sehr seltsam benahm. Aber schließlich hatte der Vogel die Menschen noch nie verstanden, die Futter aufbewahrten, anstatt es gleich zu essen, und deren Nester so nahe dem Himmel waren.
    Mikal ging ins Haus und kam mit einer Scheibe alten Brots und einer Schale voll Wasser zurück. Die stellte er auf den Boden, krümelte das Brot in den Schnee und ging dann um die Ecke hinter das Haus. Er holte einen Stuhl aus der Schmiede und brachte ihn dorthin, wo der Vogel auf dem Rand der Schale hockte, reichlich trank und mit den Flügeln schlug. Meister Kronos stellte den Stuhl neben das Holzschild mit dem vielzackigen Kompass und hoffte, dass der Prinz, wenn er ihn ergriff, darüber vielleicht seine Tochter vergaß. Mikal setzte sich hin und wartete.

Das Raus zum Feuer
    N OCH BEVOR Petra den Dorfrand erreicht hatte, wollte sie umkehren und sich entschuldigen. Warum hatte sie so heftig reagiert? Wenn ihr Vater auf sie ärgerlich war, konnte sie ihm die Schuld daran geben? Sie waren dabei, das Dorf zu verlassen, in dem er sein ganzes Leben gelebt hatte. Wer war dafür verantwortlich, wenn nicht sie?
    Sie drehte sich um.
    Astrophil zwickte sie ins Ohr.
    »Au! Astrophil!«
    »Wohin gehst du?«
    »Nach Hause.«
    »Warum? Das ist nicht das, was dir dein Vater aufgetragen hat!«
    »Meister Stakan kann dieses Zinnblech gar nicht so dringend brauchen, dass er nicht auch noch fünfzehn Minuten länger darauf warten könnte. Ich will nur … Ich will Vater nur sagen, dass es mir leidtut. Ich hätte nicht so … sauer sein sollen.«
    »Aber sauer sein ist echt ein Talent von dir. Du solltest dich darin trainieren. Du solltest unbedingt weitermachen mit Sauersein.«

    »Astrophil, versuchst du etwa, witzig zu sein?«
    »Ich verstehe schlicht nicht, was dadurch gewonnen wird, wenn du einen so dramatischen Abgang ruinierst, wie du ihn da gerade hingelegt hast. Jetzt zum Kompass zurückzugehen, also … das wäre irgendwie stillos. Die Heldin in einem Roman würde an einer solchen Stelle niemals umkehren.«
    »Würdest du bitte aufhören, mir ins Ohr zu kneifen? Das tut weh!«
    »Na gut.« Astrophil sprang auf den Boden. »Ich gehe allein zum Haus zum Feuer. Ich möchte Tomik gerne treffen. Mit ihm kann man sich so intelligent unterhalten. Und Atalanta! Was für ein bezaubernder Hund!«
    »Du beschwerst dich doch immer, dass sie versucht, dich mit ihrem Gesabber zu ertränken.«
    »Ja, gut. Ich bin ihr dann nur besonders zugetan, wenn ich das sage.«
    »In Ordnung. Geh schon vor. Wir treffen uns dann gleich dort.«
    Astrophil machte einen letzten Versuch. Er bemühte sich, ehrlich zu sein, jedenfalls annähernd. »Petra«, sagte er, »wenn du Meister Kronos wirklich glücklich machen willst, solltest du auf der Stelle tun, was er gesagt hat.«
    Sie schwieg eine Weile. »Meinst du wirklich?«
    »Ja.«
    »Dann spring auf meine Schulter. Du wirst ganz schmutzig.«
    Erleichtert schoss Astrophil einen Spinnfaden zu ihrer Schulter hoch und zog sich selbst den glitzernden dünnen Strang empor.

    »Ein Geselle!«, hatte Mila Stakan gesagt, als sie sah, wie sich Tomik das erste Mal das Abzeichen an seine schwere lederne
Arbeitsschürze steckte. »Jetzt bist du wirklich erwachsen. Und schau mal, wie das Abzeichen das Blau deiner Augen betont!«
    »Mutter, bitte«, protestierte er. »Es ist bloß ein Abzeichen.«
    »Das weißt du doch besser«, sagte sie. »Es repräsentiert alles.«
    Das war schon einige Wochen her, am Tag nachdem seine Volljährigkeit gefeiert worden war. Es war an seinem vierzehnten Geburtstag gewesen, dem Tag, an dem Tomik nach dem Gesetz erwachsen wurde. Er konnte jetzt angeblich bestimmte Rechte wahrnehmen: Grundstücke kaufen, die Universität besuchen und
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