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Das magische Schwert

Titel: Das magische Schwert
Autoren: Marie Rutkoski
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sprintete auf die Bäume zu.
    Die Grauen Männer beobachteten sie, bis sie verschwand. Dann ließen sie sich auf den Boden fallen und rasten los. Sie strömten hinter ihr her wie flüssiges Gift.

    Petras Herz hämmerte ihr verzweifelt in den Ohren. Jeder Atemzug brannte ihr in der Kehle. Sie versuchte, schneller zu rennen, doch ihre Beine konnten einfach nicht mehr. Sie stolperte.
    Eine Hand packte ihren Arm. Sie riss Petra herum, scheuerte ihr den Arm auf. Sie starrte auf die schuppige Klaue, die über den Arm kratzte und Streifen von Blut hervorquellen ließ.
    Die Kreatur machte den Mund auf und eine Zunge schlüpfte heraus. Der Graue Mann konnte den Gestank der Angst riechen. Er blickte auf die Kehle des Mädchens, wo sich Schweiß mit einem Blutfaden vermischte. Dann beugte er sich vor und leckte über Petras Hals.
    Irgendetwas in ihr rastete aus. Sie schrie. Petra hatte das Gefühl, gleich zu zerspringen. Aus Leibeskräften schrie sie: »HILFE! Helft mir!«
    Und zum ersten Mal in ihrem Leben wurde Petra ohnmächtig.

    Als sie wieder zu Bewusstsein kam, spürte sie unter ihrem Gesicht etwas Weiches. Sie lag auf dem Bauch. Ihr linker Arm und ein Teil ihres Halses brannten. Sie spürte, wie etwas an ihrem Schulterblatt zuckte, sich unter ihrer Jacke bewegte. Astrophil.
    Sie schlug die Augen auf, stemmte sich auf die Ellbogen und sah, dass sie auf einem großen Bett aus Samt lag. »Wo bin ich?«, murmelte sie.
    Noch ehe Astrophil antworten konnte, sagte eine Stimme: »Du bist in meinem Haus.«
    Petra kannte diese Stimme. Schockiert wandte sie sich schnell um.
    »Du bist in London«, sagte John Dee. »Du bist in Sicherheit.«

Das Blut des Schattendrachen
    L ONDON!«, SCHRIE Petra auf. »Was meint Ihr damit, dass ich in London bin. Ich träume doch, stimmt’s?

    Wenn Ihr hier seid, dann muss ich träumen.«
    »Es tut mir leid, aber du träumst nicht«, sagte Dee, der groß und undurchschaubar nicht weit von ihrem Bett stand.
    »Dann erklärt mir, was da los ist!«, explodierte Petra. »Was mache ich hier? Wo ist mein Vater? Und was waren das für … Dinger?« Sie war beschämt, als ihr die Stimme wegblieb.
    »Ungeduldig wie immer, ich sehe schon. Die Antworten auf deine Fragen können warten. Deine Wunden nicht. Die müssen zuerst versorgt werden, meine Liebe.«
    »Ich bin nicht Eure Liebe!«
    Sie sprang aus dem Bett und rannte zur Tür. Sie riss am Griff, doch die Tür ließ sich nicht öffnen. Wütend blickte sie über die Schulter zurück.
    Dee hatte sich nicht gerührt. Er betrachtete sie gelassen.
    »Lasst mich raus.«
    »Nicht in dieser Verfassung.«
    »Meine Verfassung?«, fragte sie schwach.
    »Du bist durch die Berührung der Kreaturen, die dich angegriffen haben, vergiftet worden. Mit dieser theatralischen Hysterie tust du dir ganz gewiss selbst nichts Gutes. Die lässt
nur dein Herz schneller schlagen, das wiederum das Gift durch deine Blutbahnen pumpt. Wer weiß schon«, sagte er träge, »wie lange du überhaupt noch durchhältst?«
    Petra, bitte setz dich hin , sagte Astrophil.
    Er kann nicht die Wahrheit sagen. Es ist nicht möglich, dass ich in London bin. Ich würde Monate brauchen, um nach England zu reisen. Soll ich ihm denn glauben, wenn er sagt, dass ich vergiftet bin?
    Ich glaube ihm. Und du bist in London.
    Vor lauter Verblüffung war Petra still.
    Petra , fuhr die Spinne fort. Ich habe alles gesehen, was passiert ist, als du bewusstlos warst. John Dee hat dir das Leben gerettet. Nachdem er das getan hat, wäre es wohl kaum besonders vernünftig, dir jetzt etwas anzutun, und er ist eindeutig daran interessiert, dir was Gutes zu tun. Du kannst es nicht riskieren, dass er mit der Gefahr, die deine Wunden darstellen, nicht doch recht hat. Seine Stimme bebte.
    Sie blickte auf ihren verletzten Unterarm. Der Riss pochte, genauso wie ihr Hals. Ihr ganzer linker Arm fühlte sich hart und geschwollen an.
    Sie trat Dee gegenüber. »Also gut. Wie ist es damit: Ich werde ruhig bleiben, aber ich will Antworten.«
    »Eine Abmachung? Du bist nicht in der Situation, irgendetwas auszuhandeln. Vielleicht wünsche ich, deine Fragen nicht zu beantworten.Vielleicht ist es mir gleichgültig, ob du ruhig bist oder nicht.«
    »Es ist Euch nicht gleichgültig. Ihr geizt nur mit Informationen. Wie immer.«
    Er neigte nachdenklich den Kopf. »Sehr gut. Ich gehe auf deine Abmachung ein. Setz dich.«
    Sie setzte sich in einen dick gepolsterten Brokatsessel.
Sie hätte es nicht zugegeben, aber sie war froh zu sitzen.
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