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Das magische Schwert

Titel: Das magische Schwert
Autoren: Marie Rutkoski
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Ihr drehte sich der Kopf.
    »Ist mein Vater in London?«, fing sie an.
    »Nein.«
    »Wo ist er dann?«
    »Ich weiß nicht. Nein, nein, Petra, brich jetzt nicht in Anschuldigungen aus. Ich habe gedacht, wir wären jetzt friedlich, höflich und zuvorkommend.«
    »Das Wort, das ich benutzt hab, war ›ruhig‹. ›Zuvorkommend‹ habe ich nicht gesagt und schon gar nicht ›höflich‹. Also, wo ist …«
    »Ich weiß es wirklich nicht. Ich könnte es allerdings herausfinden. Mit Sicherheit kann ich eine auf Sachkenntnis gestützte Vermutung darüber abgeben, wo er ist. Das kannst du auch, es sei denn, das Gift hat schon begonnen, dein Gehirn anzugreifen.«
    Sie schloss kurz die Augen. »Der Prinz. Die Salamanderburg.«
    »Natürlich. Und so möchte ich es wohl für wahrscheinlich halten, dass der Standort deines Vaters sich im Gefängnis befindet. Und wenn dem so ist, dann ist er noch am Leben.«
    »Aber das findet Ihr noch heraus, richtig?« Ihre Stimme klang verzweifelt.
    »Ja. Allerdings nicht jetzt. Und diese Information teile ich nicht für umsonst mit. Nächste Frage.«
    »Ich muss wissen …«
    »Nächste.«
    »Beantwortet meine Frage!«
    »Meine Anwesenheit schadet dir mehr, als dass sie dir nützt.« Dee glitt zur Tür und legte den Daumen auf die Klinke. »Ich rede später mit dir. Mein Arzt wird bald zu dir kommen.«

    »Wartet.« Petra hatte den Blick auf das Brokatmuster der Sessellehnen gerichtet. Diese abgesteppten roten Blumen hatte sie in ihrem Traum gesehen. Sie kämpfte gegen Panik und Benommenheit. »Ich muss verstehen, was da mit mir passiert.«
    Er nickte. »Ja. Das ist ein Thema, das uns beide interessiert.« Er zog einen Stuhl näher und setzte sich Petra gegenüber. »Ich bin ein Mann von großer Geduld, doch jede bewundernswerte Fähigkeit hat auch ihre Grenzen. Ich werde es sehr zu schätzen wissen, wie ruhig, zuvorkommend und höflich du sein wirst, wenn wir unsere Unterhaltung fortsetzen.«
    Petra holte Luft, um sich zur Ruhe zu bringen. »Sagt mir, was das für Kreaturen waren.«
    »Die Gristleki. Besser bekannt als die Grauen Männer.«
    »Aber was sind sie?«
    »Eine Erfindung. Bestimmt erinnerst du dich an den Namen Fiala Broshek? Irgendwann während unseres Aufenthalts in der Salamanderburg hatte ein Mann namens Karel das Missgeschick, in ihre Hände ausgeliefert zu werden. Fiala Broshek ist eine Chirurgin mit ziemlich interessanten Moralvorstellungen. Sie beschloss, Karel für eines ihrer Experimente zu verwenden. Deine Schulbildung ist, gelinde gesagt, etwas begrenzt gewesen. Also könnte ich mir denken, dass du nie etwas von einem Schattendrachen gehört hast, einer besonderen Art von Drachen, die kein Feuer speien, sondern Dunkelheit. Fiala Broshek hat einen Krieger dafür bezahlt, dass er einen Schattendrachen tötet und sein Blut auffängt. Dann schnitt sie Karel die Handgelenke auf, entzog ihm jeden Tropfen menschliches Blut und gab ihm in einer Transfusion von dem Blut des Schattendrachens. Das brachte den toten Mann wieder zum Leben, sofern ›Leben‹ das Wort ist,
das man bei einer solchen Kreatur verwenden will. Die Operation hatte faszinierende Wirkungen auf den menschlichen Körper, wie du ja aus erster Hand bezeugen kannst. Die Chirurgin wiederholte diese Operation bei verschiedenen anderen Untertanen.«
    »Wie habt Ihr das herausgefunden? Durch Spione?«
    »Genau so. Bist du interessiert daran zu erfahren, wie ich dich vor den Grauen Männern gerettet habe?«
    Sie nickte.
    »Ich habe sie enthauptet«, sagte er.
    Ihr blieb der Mund offen stehen.
    »Das heißt, dass ich ihnen die Köpfe abgeschnitten habe«, fügte er hinzu.
    »Ich weiß, was das heißt!« In Erinnerung an die Schnelligkeit der Grauen Männer und ihre brennenden Berührungen fragte sie zögernd: »Allen vier?«
    Er lächelte.
    Das musste erst einmal verdaut werden. Wie fürchterlich die Grauen Männer auch waren, John Dee war gefährlicher. Mindestens viermal so gefährlich.
    Fast schon fürchtete sie sich vor ihrer nächsten Frage. »Wenn ich wirklich in London bin, wie habt Ihr mich hergebracht?«
    »Mit der Hilfe meiner Töchter. Nach deinem schockierten Aussehen zu urteilen, hältst du mich nicht gerade für ein menschliches Wesen, oder? Doch das bin ich, Petra, und ich habe eine Familie. Meine Töchter verfügen über eine bemerkenswerte Magie. Sie können Durchgänge durch den Raum schaffen. In kürzerer Zeit, als du brauchst, eine Straße zu überqueren, kann ich von London nach Böhmen gelangen.
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