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Das Mädchen und die Herzogin

Das Mädchen und die Herzogin

Titel: Das Mädchen und die Herzogin
Autoren: Astrid Fritz
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sich einen Apfel und biss hinein. Ihre Zähne waren makellos weiß. Er fühlte sich zunehmend unwohl in seiner Haut. Warum sagte sie nichts und beobachtete ihn nur die ganze Zeit?
    Schließlich legte er sein Messer beiseite und sagte: «Verzeiht, Euer Gnaden – aber ich habe keinen Hunger. Warum habt Ihr mich holen lassen?»
    «Weil ich Euch etwas fragen möchte.» Sie bedeutete dem Mundschenk, sie allein zu lassen. «Ich habe Erkundigungen über Euch eingezogen. Ihr seid doch Vitus Beck, Sohn und Erbe des Weingärtnermeisters Vinzenz Beck aus Beutelsbach.»
    «Ja, der bin ich, Euer Gnaden.»
    «Und Ihr seid ledig?»
    «Ja, Euer Gnaden.» Wollte die Herzogin ihn etwa in Stellung nehmen? Niemals würde er seinen Weinberg aufgeben, da konnte sie bieten, was sie wollte. Er sah zum Fenster. Ein fast voller Mond leuchtete am Abendhimmel.
    «Gut.» Sie nahm einen Schluck Wein. «Was haltet Ihr von Herzog Ulrich? Sagt es bitte frank und frei heraus.»
    Also doch! Es ging um seine Gefolgschaft damals in Reutlingen und Tübingen. Sollte er ihr sagen, wie sehr er den Herzog hasste? Dass er nahe daran gewesen war, ihn zu meucheln, wenn sich dieser feige Hund nicht vorher aus demStaub gemacht hätte? Dass sich seine Liebste ausgerechnet diesem Schweinehund als Hure angedient hatte?
    Stattdessen sagte er lahm: «Ich hoffe, dass Herzog Ulrich nie wieder in unser Land zurückkehrt.»
    «Glaubt Ihr, dass Ulrich ein Mörder ist?»
    «Ja. Er ist ein Mörder und ein Tyrann. Und auch Euch hat er viel Übles angetan.»
    «Nun, darum geht es hier gar nicht. Ich will nur wissen, ob Ihr der Meinung seid, dass Ulrich sich nimmt, was er will, ohne Rücksicht auf andere.»
    Worauf wollte sie hinaus? Plötzlich fiel es ihm wie Schuppen von den Augen. Es ging um Marie! Marie war das einzige Bindeglied zwischen ihm und der Herzogin. Er spürte, wie seine Hände zu zittern begannen.
    «Es gibt aber auch Menschen, die sich so einem wie dem Herzog an den Hals werfen», stieß er wütend hervor.
    «Ich nehme an, Ihr sprecht von Marie. Von jener Marie, der Ihr die Ehe versprochen hattet.»
    Vitus sprang vom Stuhl auf. «Ich weiß nicht, woher Ihr sie kennt, Euer Gnaden. Aber für mich ist sie gestorben.»
    «Setzt Euch wieder und hört mir zu. Ulrich hat Marie entführt, weil sie Zeuge seines Mordes an Hutten geworden ist. Er hat sie gefangengehalten und sich mit Gewalt an ihr vergangen. Und er hat ihr den Sohn weggenommen. Das ist das Schlimmste, was einer Mutter geschehen kann. Er ist dein Sohn, er ist dir wie aus dem Gesicht geschnitten.»
    In ihrer Erregung war die Herzogin ins Du gefallen. Jetzt sah sie ihn durchdringend an. «
Das
ist die Wahrheit und nicht das, was du dir in deiner Gekränktheit eingeredet hast.»
    Sie läutete die Tischglocke. Ein Kammerdiener erschien, begleitet von einem großen, kräftigen Mann, der nach Art der Edelleute gekleidet war und neben die Herzogin trat.
    «Bring den Burschen hinunter in den Hof», befahl sie dem Diener. Zu Vitus gewandt, der zusammengesunken auf dem Stuhl saß, sagte sie: «Geh jetzt. Wir sehen uns später.»
     
    «Glaubst du, dass es richtig ist, was ich tue?»
    Sabina sah Dietrich zweifelnd an.
    «Nun ja.» Er betrachtete sie liebevoll. «Unser Schicksal ist zwar von Gott vorgezeichnet, aber ein wenig nachzuhelfen schadet nie. Zumal auch das vorgezeichnet ist. Was hast du denn für einen Eindruck von dem Jungen?»
    «Er ist ehrlich und hat einen starken Charakter. Vielleicht ein wenig hitzköpfig, aber das seid ihr Männer ja alle. Ach Dietrich, hoffentlich ist es noch nicht zu spät.»
    Sie traten ans Fenster und sahen auf den mit Fackeln ausgeleuchteten Hof. Am Tor zum Kräutergarten stand Marie, mit dem Rücken zu ihnen, ihren Jungen an der Hand. Ihr gegenüber Vitus, dessen Gesicht im Schein der Fackeln deutlich zu erkennen war: Er weinte. Doch schon im nächsten Augenblick fanden ihre Hände zueinander, und auf Vitus’ Gesicht erschien ein scheues Lächeln. Zärtlich küsste er Marie, lachte glücklich und umschlang sie mit beiden Armen. Als sie sich schließlich voneinander lösten, beugte er sich zu seinem Sohn hinunter und schloss auch ihn in die Arme.
    «Ich fürchte», sagte Dietrich und zog Sabina zu sich heran, «du wirst deine Marie verlieren. Das kommt davon, wenn man dem Schicksal nachhilft.»

Nachtrag der Autorin
    Sabina Herzogin von Wirtemberg ist eine historische Figur. Wie unzählige Frauen ihres Standes wurde sie aus dynastischen Gründen in eine unglückselige Ehe
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