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Das Mädchen und die Herzogin

Das Mädchen und die Herzogin

Titel: Das Mädchen und die Herzogin
Autoren: Astrid Fritz
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ihres Kindes angesprochen hatte. Sie wünschte sich nichts sehnlicher, als hier an diesem schönen Fleckchen Erde ihren Frieden zu finden. Frieden mit sich und ihrem Schicksal, das sich am Ende wider Erwarten so unfassbar gnädig gezeigt hatte. Hierfür empfand sie tiefe Dankbarkeit, und wenn sie ihren Veith beobachtete, wie er von Tag zu Tag fröhlicher und wissbegieriger wurde, fühlte sie sich sogar glücklich, ohne jeden Zweifel.
    Warum dann aber diese Anfälle von Schwermut, warum diese schlaflosen Nächte, in denen sie in die Dunkelheit starrte, bis die Erinnerungen über sie herfielen wie Rabenvögel übers Aas? Würde das niemals ein Ende finden?
    Das Geschrei der Buben riss sie zurück in die Wirklichkeit.
    «Meine Mütze! Christoffel hat meine Mütze!»
    Veith fegte hinter dem Thronfolger her, der seine Mütze wie eine Jagdtrophäe in der Luft schwang.
    «Schluss jetzt!», fuhr Marie dazwischen. «Wer als Erster fertig angezogen ist, darf auch als Erster auf dem Kutschbock mitfahren.»
    Das half. Kurz darauf standen alle drei Kinder bereit wie dieWachsoldaten, Christoph hatte gewonnen. Vom Hof drangen die Stimmen der Herzogin und des Obervogts herauf, man hörte sie lachen.
    Veith stieß seinen Freund in die Seite. «Ich glaub, der Herr Ritter ist bald dein neuer Vater. Die sind verliebt.»
    «Dann hab ich zwei.» Christoph grinste. «Und du gar keinen.»
    In diesem Augenblick öffnete sich die Tür, und ein Diener verkündete, dass der Schlitten bereitstehe. Unter Freudengebrüll stürmten Anna und Christoph hinaus.
    «Was ist mit dir?», fragte Marie ihren Sohn, der mit eisiger Miene mitten im Raum stand. Dabei wusste sie es genau.
    «Warum ist mein Vater nicht hier?»
    «Das hab ich dir doch schon erklärt.» Sie ging vor Veith in die Knie und gab ihm einen Kuss. «Weil er in einem fernen Land lebt.»
    «Kommt er nie mehr zurück?»
    Sie schüttelte den Kopf. «Ich glaube nicht.»
    Und das war die Wahrheit. Damit musste sie sich ein für alle Mal abfinden.

37
    Misstrauisch bestieg Vitus das Pferd, das die beiden Reiter ihm bereithielten. Was konnte die Herzogin von ihm wollen? Wollte sie ihn belangen weil er einst an der Seite ihres Gemahls gekämpft hatte gegen die Truppen ihres bairischen Bruders? Aber warum gerade ihn? Außerdem hatte er dafür bezahlt, war wochenlang im Turm gesessen, bis man ihn von höchster Stelle begnadigt hatte.
    Eine Lappalie konnte es indessen nicht sein, sonst würde man ihn nicht mitten im Winter, bei Eis und Schnee und in aller Herrgottsfrühe, holen lassen. Er umarmte seine Mutter, die in der Tür stand und ihn mit verschrecktem Gesicht ansah. Alt und gebrechlich war sie geworden, seitdem Vater tot war.
    «Ich bin bald wieder da. Mach dir keine Sorgen, Mutter. Und mit dem Weinverkauf an den Schultes warte, bis ich zurück bin.»
    «Los jetzt», schnauzte einer der Männer. «Oder sollen wir dir erst Beine machen?»
    Schweigend ritt er zwischen den beiden her, hinauf in den dichten Schurwald. Hier oben pfiff der Wind in den Baumwipfeln, die Wege waren vereist, und sie mussten immer wieder absteigen und ihre Tiere führen. Aus den Männern war nichts herauszubekommen, und so überließ sich Vitus seinen düsteren Gedanken.
    Als sie gegen Abend das Uracher Schloss erreichten, hatte sich seine Unsicherheit in Ärger verwandelt. Er hatte zu Hause weiß Gott Besseres zu tun, als hier in der Gegend herumzureiten. Zu seiner Überraschung wurde er empfangen wie ein hoher Gast: In einer warmen Stube erwartete ihn die Herzogin selbst, eine hochgewachsene Frau von etwa Ende zwanzig, an einem gedeckten Tisch. Sie begrüßte ihn mit freundlichem Lächeln und einem warmen, ein wenig neugierigen Blick.
    «Ich dachte, Ihr könntet eine Stärkung brauchen nach dem langen Ritt. Setzt Euch nur und greift zu.»
    «Habt Dank, Euer Durchlauchtigkeit.»
    Vitus hatte im Innern des Schlosses herzogliche Pracht und Prunk erwartet, doch was er hier sah, sowohl was die Einrichtung als auch die Kleidung der Herzogin oder das Tischgedeck betraf, erinnerte eher an ein Bürgerhaus. Dennoch fühlte ersich befangen – schließlich war es die Herzogin, mit der er zu Tisch saß!   –, und er nahm sich nur eine dünne Scheibe Braten von der Platte. Hunger hatte er ohnehin nicht. Er kostete den Wein.
    «Der Wein ist gut, Euer Durchlauchtigkeit. Woher kommt er?», fragte er, um das Schweigen zu durchbrechen. Zu fragen, warum er hier sei, wagte er nicht.
    «Aus dem Remstal, Eurer Heimat.»
    Die Herzogin nahm
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