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Das Mädchen und die Herzogin

Das Mädchen und die Herzogin

Titel: Das Mädchen und die Herzogin
Autoren: Astrid Fritz
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sie, ohne sich um die Umstehenden zu kümmern. «Jetzt bleib ich für immer bei euch.»
    Anna schmiegte sich an ihre Mutter. «Hast du Veith und Marie mitgebracht?», fragte sie.
    «Aber ja! Und die beiden bleiben auch bei uns.»
    Sie wischte sich die Tränen aus dem Gesicht.
    «Willkommen zu Hause», hörte sie eine tiefe Männerstimme. Ihr Herz machte einen Sprung: Vor ihr stand niemand anderes als Dietrich!
    «Ihr seid hier?», fragte sie verwirrt.
    Der Blick in seinen Augen wurde warm. «Einer muss Euch ja gebührend empfangen, Euer Fürstlich Gnaden.»
    Dann half er ihr auf. Wie ein Blitzschlag durchfuhr sie die kurze Berührung seiner Hände.
    «Und das sind sicher Marie und Veith.» Dietrich deutete mit einer Kopfbewegung zu Marie, die eben vom Wagen stieg. «Christoph und Anna haben mir schon viel über die beiden erzählt. Aber jetzt kommt herein, ich hab schon alles richten lassen für Eure Ankunft.»
    Sabina konnte noch immer keinen klaren Gedanken fassen. «Habt vielen Dank», sagte sie schließlich. «Für alles, was Ihr für mich getan habt. Wie lange – wie lange bleibt Ihr?»
    Jetzt lachte Dietrich über sein ganzes bartloses Gesicht, das Strahlen seiner Augen traf sie mitten ins Herz: «Für immer! Der Kaiser hat mich zum Obervogt von Urach ernannt.»

36
    Eine glitzernde Schneedecke hatte das Städtchen und die umgebenden Berge in ein Zauberreich verwandelt. Blau wölbte sich der Himmel über der kalten Pracht, und Sabina erlebte das glücklichste Weihnachtsfest ihres Lebens.
    Nur für kurze Zeit hatte sich ihr Verstand gegen ihr Herz zu wehren vermocht. Wie es Dietrichs Art war, hatte er sie nicht bedrängt. Aber von der ersten Stunde an war er in ihrer Nähe geblieben. Als er dann zum ersten Mal fortmusste, nach Stuttgart zur Vereidigung des neuen Regiments, da hatte sie die Tage und Stunden gezählt, bis er zurückkehrte, war ihm schließlich in die Arme gefallen, mitten im Kaminzimmer, hatte ihn geküsst und zu Boden gezogen, und sie hatten sich geliebt bis in die frühen Morgenstunden.
    So oft es ging, waren sie von nun an beisammen. Keine Brüder, keine Hofbeamten kontrollierten sie mehr, die Kinder liebten und bewunderten den Herrn Ritter, wie sie Dietrich nannten, und sie verbrachten ihre freie Zeit mit Ausritten in die Landschaft mit ihren malerischen Bergwäldern und den schroffen Einschnitten hinauf auf die Albhochfläche, um sich hernach am Kaminfeuer die klammen Glieder zu wärmen. Nur die Nächte verbrachten sie in der Regel getrennt, sie in ihrem Frauenzimmer, Dietrich in der Obervogtei, gleich neben dem Schloss.
    Dennoch war der Klatsch innerhalb des Gesindes und bald auch innerhalb der Stadt nicht ausgeblieben. Doch das kümmerte Sabina nicht. Sie hatte sich zum Ziel genommen, ihren Urachern zu beweisen, dass sie eine gute Herrin war – eine gute und gerechte Herzogin, denn das war sie dem Titel nach noch immer. Sie kümmerte sich um die Belange auch des Geringsten, empfing jeden Morgen die Männer und Frauen, die etwas auf dem Herzen hatten, und beschäftigte sich Stunden über Stunden damit, Bittschriften nach Stuttgart zu verfassen, mit der Verbesserung der Viehhaltung und Fischzucht in ihrem Amt oder auch mit neuen Verfahren zur Butter- und Käseherstellung.
    «Du bist schon eine richtige bairische Käsbäuerin», hatteDietrich sie einmal geneckt, als sie wieder einmal von einem Rundgang durch die umliegenden Dörfer zurückgekehrt war und nach Kuhmist stank.
    «Besser eine Käsbäuerin als ein Obervogt, der nur noch an die Liebe denkt», hatte sie entgegnet und seine Hand von ihren Brüsten genommen. «Die Leute werden dir bald schon auf der Nase herumtanzen.»
    Es dauerte nicht lange, und die Geiferer und Lästermäuler standen auf verlorenem Posten – hatte es sich doch im ganzen Amt herumgesprochen, dass die Herzogin immer offen war für die Nöte des gemeinen Mannes.
    Auch heute, zum Weihnachtsfest, hatte Sabina die Bedürftigsten des Städtchens in den Schlosshof gerufen, um Wein und eine warme Suppe auszugeben. Dietrich stand neben ihr, als sie nach der Essensausgabe kleine Geschenke verteilte: irdene Töpfchen mit Eingemachtem, Mittel aus ihrer Hausapotheke, Fläschchen mit Aquavit, aber auch Leintücher und Kleidungsstücke.
    «Weißt du, wie die Leute dich hier nennen?», flüsterte er ihr ins Ohr und hauchte dabei zärtlich einen Kuss gegen ihre Schläfe. «Sabina, die Mutter der Witwen und Waisen.»
    An diesem Abend waren sie erst zu später Stunde allein, und sie
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