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Das Mädchen in den Wellen

Das Mädchen in den Wellen

Titel: Das Mädchen in den Wellen
Autoren: Heather Barbieri
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riefen die Fischer herbei.
    Reilly, der hinter Nora hergehumpelt war, brühte in Maires Küche Tee auf.
    »Was machen wir jetzt?«, fragte Nora und lief im Wohnzimmer auf und ab, bevor sie sich an den Tisch setzte und nervös mit dem Fuß zu wippen begann.
    Reilly reichte ihr eine Tasse Tee, eine Zitronenscheibe und einen Löffel Honig. »Wir warten.«
    Nora besaß kein Boot. Sie musste an Land bleiben und auf Nachrichten hoffen. Auf gute Nachrichten.
    Sie sahen einander über den Tisch hinweg an, der frühere Fischer und die Frau des Politikers, die jetzt ein Team waren. Die Minuten vergingen ohne ein Wort. Es würde dauern, das wusste sie. Draußen stieg Dunst auf. »Das Wetter schlägt um«, sagte Nora. Hoffentlich nicht zum Schlechten, dachte sie. Sie schloss die Augen, betete um die Kraft, diesen Tag durchzustehen und alles, was danach kommen würde.
    Die Zeit verging. Nora versuchte, nicht auf ihre Uhr zu sehen. Reilly erzählte ihr Fischergeschichten, irische Versionen der Geschichte von Jonas und dem Wal, um sie abzulenken, bis vom Pier das Tuten eines Boots herüberklang.
    Owen mit dem Boot von Noras Onkel. Er winkte sie an Bord. Reilly ging als Erster.
    »Du bist hier …« Fast hätte Nora vor Erleichterung die Arme um ihn geschlungen. Sie hielt sich nur wegen Reilly zurück.
    »Ich bin gleich gekommen, als ich es erfahren habe«, sagte Owen.
    Sie kämpfte gegen die Tränen an.
    »Gott sei Dank«, meldete sich Reilly zu Wort. »Wir sollten aufbrechen. Die Sicht wird von Minute zu Minute schlechter.«
    Owen ergriff das Steuer, den Blick auf die Wellen vor sich gerichtet. Er trug einen Pullover, Jeans, Stiefel und eine Regenjacke von Jamie. »Da drüben ist eine zweite Regenjacke. Du bist nicht gerade für eine Fahrt auf dem Boot angezogen.« Er bemerkte ihre blutverschmierte Jeans. »Verbandszeug ist im Schränkchen.«
    »Sie könnten sonst wo sein …«
    »Wir finden sie.«
    Sie hätte ihm gern geglaubt. »Ich dachte, du bist weg.«
    »Das dachte ich von dir auch.« Er steuerte das Boot an den Wellenbrechern vorbei.
    »Ella wollte das, nicht ich. Hast du ihr geglaubt?«
    »Ich wusste nicht, was ich glauben soll.«
    »Im Ort habe ich eine merkwürdige Geschichte über das Kentern der Owen Kavanagh gehört.«
    Er sah sie schweigend an, als erwartete er, dass sie ihre eigenen Schlüsse zog.
    Sie musste an die Nacht denken, in der er gestrandet war, an Pollys selkie -Geschichte und an die der Seeleute.
    »Meinst du wirklich …?«
    »Vielleicht hast du mich gerufen.«
    Ihre Tränen im Meer. »Denkst du, ich glaube das?«
    »Glaub, was du willst. Unser Glaube formt uns.«
    »Jetzt wird’s aber philosophisch«, bemerkte Reilly, der sich zu ihnen gesellte und mit den Füßen aufstampfte, damit ihm warm wurde.
    »Meinst du, Ella versucht, nach Boston zurückzukehren?«, fragte Owen Nora.
    »Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie so dumm ist«, antwortete Nora. »Das Ruderboot taugt nicht für weite Strecken und schon gar nicht für Kinder.«
    »Kommt drauf an, wie sehr sie nach Hause wollte.«
    »Boston, sagen Sie?«, fragte Reilly. »Deswegen hat sie mich also gebeten, ihr das Navigieren beizubringen.«
    »Wann war das?«, wollte Nora wissen.
    »Vor ein paar Tagen. Tut mir leid. Ich hatte keine Ahnung, was sie vorhat.«
    »Das wusste niemand.«
    Sie fuhren schweigend aufs offene Meer hinaus. Dort konnten sie Stunden, Tage, Wochen suchen, ohne etwas zu finden. Die Mädchen waren verschwunden. Wie Maires Mann und Sohn. Wie Noras Mutter.
    Da ertönte eine Stimme aus dem Funkgerät. Einer der Fischer. »Wrackteile gefunden. Südlich der Teeth. Wir suchen nach Überlebenden.«
    »Nach Stürmen treiben immer irgendwelche Teile auf dem Wasser«, versuchte Reilly sie zu beruhigen.
    »Das Wasser ist kalt«, stellte Nora fest, ohne auf seine Äußerung einzugehen. Und die Teeth waren zu wild und schmal, als dass irgendjemand hätte hindurchmanövrieren können. Wie sollten die Mädchen das überleben?, fragte sich Nora zitternd. Obwohl Reilly ihr Owens Jacke um die Schultern legte, wurde ihr nicht warm. Die Aufregung, der Nebel, der Gedanke, dass ihre Töchter irgendwo da draußen trieben, das alles war zu viel für sie. »Wie lange brauchen wir mit dem Boot dorthin?«, fragte sie Owen.
    »Bei gutem Wetter eine halbe Stunde«, antwortete er. »Die Strömung teilt sich hier; es ist so etwas wie eine Meeresweggabelung. Der eine Weg führt nach Süden, wo die Wrackteile gefunden wurden, der andere nach Norden, in Richtung
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