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Das Mädchen aus Mantua

Das Mädchen aus Mantua

Titel: Das Mädchen aus Mantua
Autoren: Charlotte Thomas
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Sturz gut überstanden?«
    Celestina nickte, dann klappte sie die Truhe zu und verschloss sie wieder.
    »Dieser Galeazzo da Ponte vorhin auf der Piazza – das war ein bemerkenswerter Mann«, sagte Arcangela.
    »Da bin ich deiner Meinung.«
    »Was er wohl macht? Von Hause aus, meine ich.«
    »Er studiert Medizin.«
    »Oh. Ich verstehe.« Das klang bereits deutlich weniger enthusiastisch. Für Ärzte interessierte Arcangela sich nicht. Sie hatte zwei Jahre im Haushalt eines Arztes gelebt und dabei herausgefunden, dass er oft nach Blut und Eiter stank und dass seine Arbeit vergleichsweise wenig eintrug. Eher fanden geschäftstüchtige Kaufleute Gnade vor ihren Augen, oder auch schneidige Offiziere.
    »Dieser Vitale war übrigens ebenfalls sehr ansehnlich«, meinte Arcangela. »Reichlich verschwitzt, aber gut aussehend.«
    Eines der Dienstmädchen erschien und erklärte, der Badezuber sei gefüllt, und eine kleine Mahlzeit sei ebenfalls angerichtet.
    Arcangela schloss schwärmerisch die Augen, dann wandte sie sich strahlend zu Celestina um. »Sind wir gestorben und in den Himmel gekommen, oder haben wir uns das einfach verdient?«
    »Wir hätten es schlechter treffen können«, räumte Celestina ein. Doch während Arcangela fröhlich summend nach unten ging, konnte sie nicht umhin, an ein altes Sprichwort zu denken. Ihre Mutter hatte es immer dann parat gehabt, wenn Celestina meinte, einen Grund zur Freude zu haben.
    Man soll den Tag nicht vor dem Abend loben .
    Ihre Gastgeber kehrten allerdings noch vor dem Abend heim. Kurz nach dem Vesperläuten trafen Lodovico und Marta Bertolucci ein, was zeitlich bestens passte, denn Celestina und Arcangela waren soeben damit fertig geworden, sich frisch anzukleiden und ihre Sachen auszupacken, abgesehen von den beiden verschlossenen Truhen Celestinas.
    Celestina und Arcangela gingen nach unten, um die Verwandten in der Eingangshalle zu begrüßen.
    »Meine liebe Nichte! Mein armes verlassenes Lämmchen, komm an die Brust deiner lieben Tante!«
    Marta Bertolucci ging mit ausgebreiteten Armen auf Celestina zu und zerrte sie in eine heftige Umarmung. Sie roch nach Parfüm und Kräuterrauch und etwas anderem, Undefinierbaren, mit dem Celestina sich nicht auf Anhieb anfreunden mochte. Genauso wenig wie mit ihrer Tante selbst. Marta Bertolucci war ungefähr so breit wie hoch, und die blond bewimperten, leicht hervortretenden Augen in dem feisten rosa Gesicht zwinkerten beständig, als wäre das, was sie den ganzen Tag zu sehen bekam, schlicht zu viel für sie. Ihr fehlten unten zwei Schneidezähne, was sie beim Sprechen lispeln ließ und was in Verbindung mit der zum Quieken neigenden Stimme den Eindruck naher Hysterie noch verstärkte.
    »Wie sehr ich mich freue, dich endlich einmal wieder in meine Arme schließen zu dürfen! Nach so vielen Jahren! Was für eine Schande, dass wir uns so lange nicht sehen durften!«  
    Das klang, als hätte man ihr die Nichte aus böser Absicht vorenthalten, was jedoch nach allem, was Celestina wusste, nicht zutraf.
    Marta Bertolucci war die Schwester von Celestinas verstorbenem Vater. Celestina hatte sie als kleines Kind zuletzt gesehen, sie erinnerte sich kaum daran.
    »Weißt du, Marta und ich konnten uns nie besonders gut leiden«, hatte ihre Mutter die Vergangenheit zusammengefasst. »Es fing schon an, als sie ihren zweiten Ehemann heiratete, Lodovico. Dein Vater und ich waren zur Hochzeit eingeladen, und er wagte es, den Bräutigam zu kritisieren. Er nannte ihn einen habgierigen Schönling. Später reisten wir nur noch einmal nach Padua, das war zur Taufe deiner kleinen Cousine Chiara. Du kamst auch mit, aber du wirst dich kaum noch erinnern, du warst ja noch so klein.«
    »Ich erinnere mich, dass Chiara brüllte, als der Priester sie mit Wasser übergoss.«
    »Stimmt, sie war gut bei Stimme. Davon abgesehen, sah sie aus wie ein kleiner blonder Engel, und ich sagte zu deinem Vater, aus ihr werde gewiss einmal eine Schönheit werden, doch dein Vater meinte, auch Marta habe als Säugling so ausgesehen, und wenn man sie nun näher betrachte, müsse man zugeben, dass sie einem Schwein mit hellen Borsten ähnele. Dummerweise hat Marta es mitbekommen und es leider nicht verwunden. Sie hat uns nie wieder eingeladen, und ich für meinen Teil hatte auch keine Lust, je wieder hinzufahren. Aber erstaunlicherweise besteht Marta nun nach dem Tode deines Gatten darauf, dass du nach Padua kommst, um deine Trauer im liebevollen Kreis der Familie zu
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